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Ihr Pferd ist tot - Steigen Sie ab

Ihr Pferd ist tot - Steigen Sie ab

Titel: Ihr Pferd ist tot - Steigen Sie ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Diesbrock
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Entwicklungssprung veranlasst. Wenn wir uns zum ersten Mal der Wahl eines Berufes stellen müssen, sind wir zwischen 16 und 20 – beim Ausscheiden aus der Berufswelt in der Regel zwischen 60 und 70. In einer so langen Zeit durchlaufen wir und unsere Umwelt natürlich einige wichtige Veränderungen. Da wäre es doch sehr kurzsichtig anzunehmen, dass unsere Karriere im |67| Normalfall schön gleichmäßig und gradlinig dahinfließt, ganz unabhängig von den Stromschnellen unseres Lebens! Denn wenn unser Selbstbild, unsere Werte und unser Verständnis vom Leben sich immer wieder wandeln, spiegelt sich dies selbstverständlich auch in unserer beruflichen Identität wider.
    »Krise kann ein produktiver Zustand sein.
Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.«
    Max Frisch
    Die Wende zwischen den Karrierephasen
    Unsere berufliche Entwicklung mag verschiedene Abschnitte durchlaufen, besonders einschneidend ist der Übergang zwischen zwei wichtigen Karrierephasen, den viele Menschen zwischen 35 und 45 erleben. Diese Wende ist eine so große Herausforderung, weil sich unsere Sicht auf unseren Beruf in den beiden Phasen meistens stark unterscheidet. Die folgende Charakterisierung ist natürlich sehr pauschal und wird sich wahrscheinlich nicht ganz mit Ihren eigenen Erfahrungen decken. Die Konflikte, die sich aus dem Übergang ergeben, erleben Menschen allerdings sehr häufig.

    Die erste Karrierephase beginnt meist zwischen 16 und 25 mit unserem Eintritt in die Berufswelt. Sie wird bestimmt von der Logik des Aufbaus und des Aufstiegs. Wir wollen uns etablieren, Wurzeln schlagen und eine sichere Position aufbauen. Die meisten jungen Menschen identifizieren sich stark mit ihrer Tätigkeit, denn der Beruf ist jetzt eine neue und wichtige Säule ihres Selbstverständnisses. Wir sind, was wir tun – unsere Arbeit bestimmt zum großen Teil unser Sein. Mit dem Einstieg in die erste Phase verdienen wir zum ersten Mal unseren Lebensunterhalt selbst und sind damit finanziell unabhängig. Wir stehen selbstständig im Leben. Dafür ist es jetzt nicht unbedingt von oberster Priorität, dass uns die Inhalte unserer Arbeit befriedigen oder unserer Selbstverwirklichung dienen. Für |68| viele stehen eher materielle Interessen im Vordergrund. Wenn das Karriereschiff Fahrt aufnimmt, heißt der Kurs meistens: nach oben! Orientierung vermittelt die Logik der aufeinander aufbauenden Karriereschritte: Auf Position A folgt in der Regel Position B in diesem oder einem anderen Unternehmen. Brüche und Leerräume sind auf jeden Fall zu vermeiden. Richtig ist, was sich im Lebenslauf gut liest. Mit dem Aufstieg steigen Gehalt und Verantwortung, vielleicht etabliere ich mich in einer Führungsposition. Als Selbstständiger baue ich meine eigene Unternehmung auf, und vielleicht beschäftige ich Angestellte. Damit wachsen mein Status und mein Ansehen.
    Meine Identität wird hauptsächlich durch den Beruf gespeist. Die Karriere verlangt hundertprozentiges Engagement, und die meisten liefern es gern. Körperliche Ressourcen scheinen noch unerschöpflich zu sein. Zentrale Themen sind materieller Zuwachs, Eigentum und der Aufbau von finanzieller Sicherheit, die den Rahmen bilden und bieten für Partnerschaft und Familie.

    Die zweite Karrierephase beginnt natürlich nicht von einem auf den anderen Tag. Dass sie sich ankündigt, merken wir daran, dass die Ziele und Werte der ersten Phase an Attraktivität verlieren und sich Ermüdungserscheinungen zeigen. Ein gewisser Wohlstand ist inzwischen erreicht, und das Leben scheint erst einmal ganz vernünftig abgesichert zu sein. Die nächste Gehaltsstufe, mehr Personal- oder Projektverantwortung, das größere Büro und der PS-stärkere Dienstwagen, ein noch besser klingender Titel – alles gut und schön, aber wirklich sexy scheinen diese Verheißungen nicht mehr zu sein. Die Motivatoren der ersten Phase verlieren jetzt an Glanz. Unser Fokus verändert sich: Drehte sich eben alles noch um den nächsten »logi schen « Schritt und eher kurzfristige Ziele, gerät jetzt die größere Lebensperspektive immer mehr in den Mittelpunkt, und es stellen sich Fragen wie: »Auf welches Berufsleben möchte ich später einmal zurückblicken?«, »Was ist für mich wirklich bedeutsam?« oder »Wofür lohnt es sich, noch einmal richtig Gas zu geben?« Es hat noch niemand auf dem Sterbebett bereut, zu wenig Zeit im Büro verbracht zu haben, sagte ein Onkel von mir gern. So ein Gedanke |69| fällt in dieser Phase auf

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