Ihr Pferd ist tot - Steigen Sie ab
verstauten. Wir hätten zwar das Gefühl, Ordnung geschaffen zu haben, das Resultat wäre allerdings wenig hilfreich. Auf diese unproduktive Weise schaffen wir aber vertraute Strukturen, senken unseren Stresspegel und können erst einmal weitermachen wie bisher. Nur werden wir so den Anforderungen einer komplexen Situation nicht gerecht. Angewandt auf die Berufswelt erklärt dies Phänomene wie die folgenden:
Unter den vielen möglichen Jobs, die wir ergreifen könnten, beschäftigen wir uns nur mit denen, über die wir schon viel wissen – auch wenn sie uns gar nicht wirklich interessieren.
Wir haben zum Chef und zu den Kollegen kein gutes Verhältnis, glauben aber, dass es woanders nur schlechter laufen könnte.
Wir trauen uns nur zu, was wir seit vielen Jahren täglich tun – andere Fähigkeiten unseres Repertoires blenden wir aus.
Wir wissen, dass wir das Falsche studieren, ziehen aber nicht in Erwägung, das Fach zu wechseln.
Oder kurz und plakativ: Unser totes Pferd scheint attraktiv, weil es so schön vertraut ist und uns garantiert nicht mit Überraschungen konfrontieren wird. Warum sollten wir uns auch mit der Vielfalt der Pferdewelt |74| auseinandersetzen? Aber dies ist glücklicherweise nur eine Seite der Medaille! In unserer Natur steckt nämlich auch die »Ten denz zur Selbstaktualisierung«, also das Bedürfnis, uns und unsere Umwelt unseren Werten und Bedürfnissen immer wieder anzupassen. Wir haben den Drang, uns zu entwickeln, zu forschen und zu entdecken, wir sind neugierig und langweilen uns, wenn nichts passiert. Hätten wir diese Tendenz nicht, hielten Sie dieses Buch bestimmt gar nicht in der Hand.
Wir leben also immer in einem Dilemma zwischen dem Streben nach der Sicherheit im Vertrauten und dem Bedürfnis nach Wachstum und Glück. Welche Seite in uns stärker ist, liegt in unserer Persönlichkeit und der Summe unserer Erfahrungen begründet. Und unser Großhirn hat noch ein Wörtchen mitzureden: Wie wir uns nämlich letztendlich verhalten und entscheiden, ist glücklicherweise auch das Resultat unserer Vernunft – wir sind unseren archaischen Mustern nicht ganz hilflos ausgeliefert!
Wir fahrn, fahrn, fahrn auf der Autobahn!
Wenn wir uns dazu entschließen, einen vertrauten Pfad endlich zu verlassen, wird ein Teil von uns also erst einmal mit Widerstand reagieren. Was braucht es dann, damit wir Erfolg haben und unser Gehirn davon überzeugen, dass wir es ernst meinen?
»Die eigentlichen Geheimnisse auf dem Weg zum Glück
sind Entschlossenheit, Anstrengung und Zeit.«
Tendzin Gyatsho, 14. Dalai Lama
Ein Neurowissenschaftler würde diesem Satz des Dalai Lama wahrscheinlich vollkommen zustimmen. Denn damit das Gehirn sich wandelt und neue positive Denk- und Handlungsweisen etabliert, muss es immer wieder aufgefordert werden, das Neue zu trainieren und anzuwenden. Der Neurobiologe Gerald Hüther vergleicht ein Denkmuster, das mich bisher beherrscht, mit einer Autobahn: Auf ihr laufen meine |75| Gedanken auf immer denselben, bewährten Bahnen und bewirken dieselben Verhaltensweisen. Wenn ich mich heute entscheide, ab sofort auf andere Weise zu denken und zu handeln, ist das neue Muster am Anfang wie ein schmaler Pfad, der von meiner Autobahn abzweigt. Wenn ich mich nicht sehr konzentriere, werde ich beim nächsten Mal wieder schnell daran vorbeirasen und denken/handeln wie gewohnt. Es erfordert viel Übung und Training, um jedes Mal auf die Bremse zu treten und mich bewusst für mein neues Muster zu entscheiden. Im Laufe der Zeit legt mein Gehirn aber eine richtige Autobahnabfahrt an, und irgendwann nehme ich die neue Strecke ganz automatisch. Bis dahin hat mein Gehirn viel Arbeit zu leisten!
Das bedeutet, dass ein guter Vorsatz oder ein neuer Gedanke allein nur Schall und Rauch sind. Nur die Entscheidung, mir jetzt einen neuen Job zu suchen, mutiger aufzutreten oder mir Gedanken über Alternativen zu machen, reicht nicht aus. Manchmal wird das Gehirn mit einem Computer verglichen, den wir jederzeit umprogrammieren können nach dem Motto: »Ab heute denke ich positiv.« Aber das ist kompletter Unsinn!
»Indem man sich lediglich dazu entschließt,
hin und wieder etwas zu tun, was man normalerweise nicht tut,
ändert sich noch keine Verschaltung im Gehirn.«
Gerald Hüther, Neurobiologe
Die gute Nachricht: Wir können uns jederzeit verändern. Die weniger angenehme: Es ist eine Menge Arbeit!
Grau ist alle Theorie — was können Sie mit diesen
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