Ihr Pferd ist tot - Steigen Sie ab
Wunsch nach beruflicher Veränderung innere Widerstände entgegenstellen, womöglich in Form »vernünftiger« Gedanken und Argumente (wie wir sie ja schon ausführlich beleuchtet haben), sollten Sie grundsätzlich erst einmal skeptisch sein! Wie viel davon mag die Tendenz Ihres Gehirns zum Festhalten sein? Was ist wirklich vernünftig – und was ist »Rationalisierung«, also das Vernünftigmachen von etwas eigentlich Irrationalem?
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Das Autobahn-Prinzip sollten Sie immer beachten, wenn Sie neues Denken und Handeln in Ihr Repertoire aufnehmen wollen: Der gute Vorsatz allein reicht nicht – Sie brauchen ganz im Sinne des Dalai Lama Entschlossenheit, Anstrengung und Zeit. Wir werden darauf noch zurückkommen.
Wo immer es geht: Probieren Sie aus, und wagen Sie den Kontakt zu Unbekanntem! Suchen Sie Erfahrungen und Gespräche, denn Sie lernen über die unmittelbare Erfahrung viel mehr als allein über Einsicht und Verständnis.
|77| Angst und Stress – Phänomene des Umbruchs
Das Thema dieses Kapitels ist Ihnen möglicherweise nicht angenehm. Denn die meisten Menschen beschäftigen sich nicht gern mit ihren Ängsten. Sie haben aber ja schon in den bisherigen Kapiteln gelesen, wie zentral Ängste, Stress und Vermeidung sind, wenn wir uns mit toten Pferden und der Möglichkeit von Veränderung beschäftigen. Wir kommen nicht daran vorbei, noch einen genaueren Blick darauf zu werfen – und Sie werden sehen, dass es hilfreich ist, nicht der »Angst vor der Angst« zu folgen.
In der Arbeitswelt gibt es natürlich keine Ängste. Die sind Privatsache! Je höher wir in der Hierarchie aufsteigen, je mehr Verantwortung wir übernehmen, desto mehr gilt es als Tabu, über eigene Ängste zu sprechen. Denn wer Angst hat, ist schwach und damit den Angstlosen unterlegen. Es ist okay, gestresst zu sein, vielleicht auch mal am Rande eines Burn-outs zu stehen oder ein klitzekleines Alkoholproblem zu haben – dann holt man sich ein Coaching und optimiert sich in einem Zeitmanagement-Workshop. Aber Angst hat man – vor allem Mann! – im Business gefälligst nicht zu haben. Hinter den glänzenden Fassaden (hinter die ich als Coach ja blicken darf) sieht es allerdings ganz, ganz anders aus: Menschen haben Angst – einer Aufgabe nicht gewachsen zu sein, kritisiert oder ausgelacht zu werden, an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit zu stoßen, der eigenen Verantwortung nicht gerecht zu werden und so weiter – und das ist völlig normal und sogar sehr wichtig! Diese Angst anderen und sich selbst nicht einzugestehen, macht uns neurotisch, krank und einsam. Und es erhöht nicht gerade unsere Leistungsfähigkeit. Ganz im Gegenteil.
|78| Was uns Angst macht
Je enger die Grenzen sind, die uns ein System, in dem wir uns bewegen, auferlegt, desto sicherer fühlen wir uns. Das gilt für äußere Systeme wie Gesellschaften, Familien oder berufliche Umfelder genauso wie für das innere System unseres Denkens, Fühlens und unserer Persönlichkeit. Ein hoher Grad an Freiheit, also an Wahlmöglichkeiten, ist immer mit Unsicherheit verbunden. Wie wir im letzten Kapitel gesehen haben, hat ein totes Job-Pferd den großen Vorteil, uns ein Höchstmaß an Sicherheit zu geben – auch wenn dies mit großer Unzufriedenheit und Leid verbunden ist. Wenn ich anfange, mich mit meinen möglichen Alternativen zu beschäftigen, bedeutet dies zwangsläufig, dass ich bereit bin, Sicherheit aufzugeben. Meine inneren Widerstände versuchen dann, dem entgegenzuarbeiten und meine Wahlmöglichkeiten mental zu reduzieren – im Extremfall mit der Annahme, überhaupt keine zu haben.
Wie
wir dies tun, haben wir ja ausführlich betrachtet.
Hinter unseren inneren Widerständen stecken fast immer Ängste. Wir halten am Gewohnten fest, weil es unsere Angst klein hält. Wenn ich mit Menschen über ihre Widerstände gegen berufliche Veränderungen spreche, tauchen bestimmte Ängste immer wieder auf:
Wir haben Angst, unsere Lebensgrundlage zu verlieren, indem wir arbeitslos werden, kein Geld haben, die Wohnung nicht mehr zahlen können und nicht mehr leben können wie gewohnt. Obwohl eine existenzielle Notlage eher unwahrscheinlich ist, äußern viele Menschen die Angst, »in der Gosse zu landen«.
Wir haben Angst vor Beschämung durch andere, indem wir an Ansehen und Wertschätzung verlieren und Menschen uns kritisieren oder gar verachten.
Wir haben Angst zu versagen.
Wir haben Angst, dass man uns Zuneigung und Liebe entzieht.
Wir haben Angst vor Schuld und
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