Ihr Pferd ist tot - Steigen Sie ab
»Mein Job als Hobby? Ich arbeite, um meine Miete zu zahlen – nicht, um Spaß zu haben.« Okay, das Arbeitsleben ist nun mal kein Ponyhof. Das hatten wir schon.
Aber warum machen wir es denn nicht umgekehrt: Warum machen wir nicht ein Hobby zu unserem Beruf? Wenn wir schon Geld verdienen müssen, warum denn nicht mit dem, was wir ohnehin gern tun? Mit Sicherheit wären wir darin sogar besser als in einem Job, der uns nicht die Bohne interessiert.
»Also werden wir alle professionelle Briefmarkensammler, Grillfachleute, Kleingärtner und Profi-Fußballgucker? Klar, mit meinem Jodel-Diplom mach ich mich selbstständig. Und Reiter werden schließlich auch immer gebraucht!« Sicher fragen Sie sich jetzt: Was bei Loriot so herrlich absurd war, meint der Autor tatsächlich ernst? Nun, da kann ich nur antworten: ein bisschen.
|184| Bittere Wurzel, aber süße Frucht?
»Je mehr Vergnügen du an deiner Arbeit hast,
umso besser wird sie bezahlt.«
Mark Twain
Wenn wir täglich acht Stunden arbeiten und sechs Wochen Urlaub im Jahr haben, sind dies (ohne Krankheits- und Feiertage) 1 840 Stunden im Jahr. Gehen wir ganz grob davon aus, dass wir 45 Jahre unseres Lebens arbeiten, kommen über 82 000 Stunden dabei heraus. Eine ganze Menge. Wenn mir mein Job gleichgültig bis unangenehm ist – und das geht ja der Mehrzahl der Menschen so –, muss mir diese Zahl kalte Schauer über den Rücken jagen! Kein Wunder, wenn wir eine Rente mit 67 Jahren für uns persönlich als Alptraum empfinden, die Uhren im Büro scheinbar langsamer laufen oder das Leben für uns nur am Wochenende stattfindet.
Die Mehrheit der Menschen betrachtet ihren Job in erster Linie als notwendiges Übel, vor dem man sich drückt, wenn es irgendwie geht und vertretbar erscheint. Hätten sie nicht ihre inneren Antreiber, Perfektionisten und eine Heidenangst, von anderen schlecht beurteilt und abgelehnt zu werden, stünde es schlecht um unsere Volkswirtschaft. Aber wir reißen uns ja zusammen.
Bei vielen von uns ist dieses Bild von Arbeit tief verwurzelt und wird kaum hinterfragt. Will sich jemand nur mit einem Job zufriedengeben, der auch seinen Interessen entspricht, muss er wohl damit rechnen, als Traumtänzer oder naiv bezeichnet zu werden. Eine kriselnde Wirtschaft und der Arbeitsmarkt im Allgemeinen werden gern als zusätzliche Argumente gegen solche »Flausen im Kopf« benutzt. Unser Verständnis ist geprägt von der Auffassung, dass Arbeit in erster Linie Pflicht ist, die nicht der Freude dienen und nicht infrage gestellt werden soll. Viele von uns haben schon im Elternhaus negative Glaubenssätze gelernt und verinnerlicht, wie beispielsweise:
»Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps.«
»Arbeit macht nun einmal keinen Spaß.«
»Arbeit hat bittere Wurzel, aber süße Frucht.«
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Wie sieht’s bei Ihnen aus: Welche Glaubenssätze zur Arbeit im Allgemeinen haben Sie gelernt? Kann, darf oder sollte Arbeit Spaß machen – oder ist ein Teil von Ihnen da ganz anderer Meinung?
Es ist schon merkwürdig, dass in unserer Gesellschaft Spaß, Selbstverwirklichung und immer neue Kicks ganz groß geschrieben werden und sich die Mehrheit aber trotzdem scheinbar damit abfindet, dass Arbeit nun einmal eine spaß- und sinnfreie Angelegenheit ist. Oder muss unser Privatleben gerade deswegen so schön bunt und selbstverwirklicht sein, weil unser Berufsleben so trist ist? Sicherheit, Bezahlung, Aufstiegschancen, Ansehen – diese Faktoren sind für viele von uns wichtiger als die Frage, wie interessant eine Tätigkeit für sie ist. Und wenn unsere Unzufriedenheit eines Tages nicht mehr auszuhalten ist, sind viele verunsichert, widerspricht der Wunsch nach Veränderung doch eingeschliffenen Überzeugungen von Arbeit und Pflicht.
Ich werde immer wieder gefragt, ob man denn eigene Interessen so sehr in den Mittelpunkt stellen und den sicheren Job gar kündigen dürfe – oder ob so ein Wunsch nicht viel zu verrückt und gefährlich sei. Ja, viele Menschen wollen lieber glauben, dass eine Midlifecrisis ihnen zeitweise die Vernunft vernebelt, als sich einzugestehen, dass sie wirklich anders leben und arbeiten wollen! Aber je mehr wir uns trauen, uns von unseren Interessen leiten zu lassen, desto motivierter und überzeugender werden wir uns fühlen und auftreten. Und dies ist ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor!
Anna hatte lange in verschiedenen Eventagenturen gearbeitet. Als sie zu mir zu einem Coaching kam, stand ihr vierzigster Geburtstag bevor,
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