Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
gleich als Erstes am Morgen den Fernseher ein, um ihn anschließend den ganzen lieben langen Tag laufen zu lassen, bis es Zeit zum Schlafengehen war. Manchmal saß niemand im gesamten Haushalt davor und folgte dem Programm. Der Fernseher als sprechende Tapete. Überall im Land behandelten Menschen ihre Fernsehgeräte wie Haustiere. Sie lebten mit ihnen. Fernseher hatten ein Recht zu laufen. Meredith würde diese Denkweise niemals verstehen können, doch sie hatte längst resigniert. Wie um ihre Gedanken zu widerlegen, verstummte das Geplärre mit einem Mal, mitten in einer wilden Verfolgungsjagd, und schlurfende Schritte wurden laut. Eine Stimme hinter der Tür rief streitlustig:
»Wer ist da?« Meredith nannte ihren Namen und fügte erinnernd hinzu, dass sie bereits einmal zusammen mit Mrs Carter da gewesen wäre. Die Tür wurde geöffnet, und Janine Catto erschien im Morgenmantel und mit den Schaffellpantoffeln an den Füßen. Sie hatte ein blaues Auge. Verwirrt und erschrocken stammelte Meredith eine Entschuldigung, weil sie unangemeldet vorbeigekommen wäre und gestört hätte.
»Schon gut«, antwortete Janine, »kein Problem. Ich dachte, Sie wären vielleicht schon wieder einer von diesen Zeitungsheinis. Deswegen habe ich auch erst so spät aufgemacht. Kommen Sie rein?« Das Innere des kleinen Hauses repräsentierte jene besondere Art moderner Armut, die Meredith stets als deprimierend und frustrierend zugleich empfand. Wenige und billige Möbelstücke kontrastierten mit kostspieligen Luxusgütern, die frühere Generationen in einem ähnlichen finanziellen Engpass einfach nicht angeschafft hätten. Die Prioritäten hatten sich geändert. Janines Mobiliar sah aus wie aus einem Secondhandshop. Das Haus besaß keine Zentralheizung, sondern nur einen Kohleofen, der trotz des relativ milden Wetters brannte, weil er Wärme zum allgemeinen Gebrauch lieferte. Vor dem Ofen stand ein altmodischer Wäscheständer aus Holz, auf dem ausgewaschene Knabenjeans zum Trocknen hingen. Der einfache Lebensstil der Cattos wurde unterminiert durch einen gigantischen Fernseher und einen teuren Videorekorder, der darunter auf dem abgewetzten Teppich stand. Der allgemeine Eindruck war unordentlich, wenngleich sehr sauber. Janine hatte auf zerdrückten, pflaumenfarbenen Samtkissen gesessen, die sich wahllos auf dem braunen Möbelplüsch eines alten, durchgesessenen Sofas stapelten. Der Platz lag strategisch günstig zwischen Feuer und Fernseher. Sie hatte in einem Magazin über Popmusik und Kultur gelesen und dabei Zwiebel-Käse-Chips gegessen. Es war Meredith unmöglich, ihr blaues Auge zu ignorieren, doch die Höflichkeit verbot ihr, diesbezüglich Fragen zu stellen. Janine löste das Problem.
»Sie starren mein Veilchen an, wie …?« Sie hob die Hand und betastete vorsichtig die empfindliche Region rings um ihr Auge.
»Es sieht ziemlich schlimm aus«, gestand Meredith.
»Ja, es kommt jetzt richtig raus«, stimmte Janine ihr zu. Sie ging zu einem Spiegel über dem Ofen und spähte hinein. Der Wäscheständer wankte bedenklich und drohte umzukippen und seine Fracht in das offene Feuer zu entladen. Meredith streckte die Hand aus und hielt ihn fest.
»Ja, es wird schon gelb«, fuhr Janine fort. Sie klopfte ein paar Chipskrümel von ihrem Morgenmantel und setzte sich mitten in ihren imperialen Kissenberg.
»Ich hatte eine Prügelei. Mein letzter Freund ist aus dem Nichts aufgetaucht. Ich hab ihm gesagt, dass er sich verp–« Janine räusperte sich und verbesserte sich anständigerweise.
»… dass er sich verziehen soll. Er war sowieso nur gekommen, um sich Geld zu leihen oder nachzusehen, ob es etwas zum Klauen gibt, das er verkaufen könnte.« Der Videorekorder vielleicht. Janine hatte ihr Eigentum heftig und erfolgreich verteidigt, doch nicht ohne selbst Blessuren davonzutragen.
»Hat er Sie sonst noch irgendwo verletzt, Janine?«, erkundigte sich Meredith mitfühlend und besorgt zugleich.
»Nein, wie ich schon sagte, wir hatten eine kleine Prügelei, und ich hab ihn rausgeworfen. Er kommt bestimmt so schnell nicht wieder.« Sie klang zuversichtlich. Merediths Blick fiel auf die Knabenhosen, während ihr Pauls Worte durch den Kopf gingen und seine Behauptung, dass Ernie Berrys Nachkommenschaft überall im Dorf zu finden sei. Ihr kam ein alarmierender Gedanke. Bruce und Ricky waren doch wohl nicht ebenfalls …?
»Dieser, äh, frühere Freund, ist er der Vater Ihrer Kinder?« Janine nickte.
»Aber er kommt nie, um seine
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