Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
wären sie noch im Originalzustand. Rookery House hatte das gleiche Problem wie die Kirche: Ein Teil des Dachs hinter einer Brüstung war mit einer Plane abgedeckt, die im Wind flatterte.
»Das Dach ist nicht ganz dicht«, sagte Janine.
»Ich habe es dem Nachlassverwalter gesagt. Er meint, dass er nichts daran ändern kann. Mr Crombie kam vorbei und hat die Plane über das Dach gelegt. Eine Schande, die Vorstellung, dass das schöne alte Haus einfach sich selbst überlassen wird und nun verfällt. Die alte Mrs Smeaton würde sich im Grab umdrehen.«
Markby trat vor und streckte die Hand aus, um das Tor weiter zu öffnen.
»Vielleicht sollten wir einen Blick auf das Innere …«
In seiner Stimme schwang ein unterdrückter Eifer mit, der Meredith keineswegs entging. Sie war ziemlich sicher, dass es nicht Olivias tragisches Schicksal war, das ihn hierher zog. Aber was dann? Eine böse Ahnung stieg in ihr auf.
Janine klimperte mit einem großen Schlüsselbund und fand schließlich den richtigen Schlüssel. Die Vordertür ließ sich ohne Probleme aufschließen, eine traurige Erinnerung daran, dass der vorherige Besitzer das Haus erst vor kurzem verlassen hatte. Sie standen in einer weiten Eingangshalle.
Die mit Läden versperrten Fenster bedeuteten Dämmerlicht, doch man konnte erkennen, dass der Boden der Halle mit Marmorfliesen im Schachbrettmuster ausgelegt war. Eine breite Treppe führte hinauf zum ersten Stock und einer umlaufenden Galerie. Zur Linken stand eine Tür offen, dahinter lag ein Salon. Janine mit einem ausgeprägten Sinn fürs Praktische ging hinein und öffnete forsch einen Fensterladen.
»Ich tue mein Bestes, damit es nicht anfängt muffig zu riechen«, sagte sie trotzig.
»Eigentlich ist es gar nicht mehr mein Job, nicht wahr? Ich werde nicht dafür bezahlt, wie ein richtiger Hausmeister es würde. Ich bekomme lediglich ein Honorar, so nennt es der Nachlassverwalter Mr Behrens.« Sie wirkte erfreut, dass sie das Wort ohne zu stocken über die Lippen gebracht hatte.
»Eine Entschädigung für meine Mühen, sagt er.« Sie sprach die letzten Worte gekünstelt vornehm aus, und Meredith vermutete, dass Janine den Nachlassverwalter Mr Behrens imitierte. Sie unterdrückte ein Grinsen.
Licht strömte durch den offenen Laden hinein, und Staub tanzte im breiten Strahl, der die anmutigen, angenehmen Proportionen des Raums erhellte. Ein Stuckfries zog sich entlang der Decke. Eine Wand wurde von einem schönen, klassischen Kamin beherrscht. Die Bodendielen schienen original zu sein, breite, unebene Bretter, wahrscheinlich Eiche. Meredith tappte prüfend mit der Fußspitze umher.
»Eigenartig, es so zu sehen«, meinte Janine.
»Alles leer. Mrs Smeaton hatte eine Menge hübscher Dinge. Kennen Sie Pride and Prejudice, die Fernsehserie? Sie hatte eine Menge solcher Möbel.«
»Zu schade, dass alles verkauft wurde«, sagte Meredith.
»Wer auch immer das Haus einmal erwirbt, er sollte auf jeden Fall versuchen, es passend zum restlichen Stil zu möblieren.«
»Ich selbst war nicht scharf auf den alten Plunder«, sagte Janine.
»Zu viel Arbeit. Die ganzen Staubfänger, ständig polieren, die ganzen geschnitzten Sachen.« Sie fuhr mit der Fingerspitze über die abgefasten Kanten eines gefalteten Fensterladens.
Markby betrachtete die Wände.
»Ich will verdammt sein«, sagte er.
»Oh, alles braucht ein wenig frische Farbe«, stimmte Janine ihm zu.
»Gott weiß, wann hier zum letzten Mal gestrichen wurde.«
»Zum letzten Mal gestrichen?« Markby drehte sich zu ihr um und lächelte.
»Ich würde sagen, um die Regency-Zeit herum oder höchstens kurz danach. Es ist genau, wie Sie gesagt haben, Janine, ungefähr die Zeit, in der Pride and Prejudice spielt. Dieses Rosa hier wurde üblicherweise dadurch erreicht, dass man Schweineblut in die Farbe gemischt hat.«
»Tatsächlich?« Wynne trat interessiert näher.
»Ich hatte noch gar nicht so genau hingesehen …« Sie betrachtete die Wand.
»Was für ein furchtbarer Gedanke!«, entfuhr es ihr plötzlich.
»Ich meine nicht das Schweineblut. Ich meine, dass jemand dieses Haus kaufen und alles mit modernen Farben übermalen könnte!«
»O Gott!«, rief Meredith.
»Wenn Sie mich fragen, wäre es besser so«, entgegnete Janine.
»Wollen Sie den Rest sehen?«
»Sie wollen die Treppe sehen!«, sagte Wynne laut, und wie als Echo auf ihre Stimme knallte irgendwo im Haus eine Tür oder ein lockerer Fensterladen.
Hier also war Olivia Smeaton gestorben.
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