Ihre Beiden Väter
Sekunden, so schien es, wurde das leere Wohnzimmer mit Menschen überflutet. Alle liefen herum, um sich zu entscheiden, wo sie sich hinsetzen oder doch lieber stehen sollten. Srikkanth stellte Sophies Sitz ab und beschäftigte sich damit, sie daraus zu befreien, während er wartete, wie alle auf Jaime reagierten.
„Jaime“, begrüßte ihn die Matriarchin mit einem strengen Nicken. „Es ist lange her.“
Jaime nickte zurück und bot seine Hand an, die sein Bruder langsam in seine nahm. „Zu lang“, bestätigte Jaime.
„Mamá hat dich vermisst. Lass das nie wieder passieren.“ Bevor Jaime irgendwie darauf etwas erwidern konnte, drehte sich sein Bruder um und ging weg, ohne Srikkanth beachtet zu haben.
Jaime wollte schon protestieren, wurde aber durch die Umarmung seiner Mutter daran gehindert. Er sagte nichts, sondern hielt sie einfach fest und wurde von ihr gehalten. Sie duftete exakt so, wie in seiner Erinnerung: nach Mehl und Jasmin. Sophies Kichern, als sie aus ihrem Sitz gehoben wurde, brach den Bann und Señora Frias eilte an Srikkanths Seite.
„Lass mich die kleine niña sehen“, säuselte sie und streckte ihre Arme nach Sophie aus. Ohne zu zögern, gab Srikkanth sie ihr, da er vermutete, Sophie würde seinen Job schon übernehmen, wenn er sie ließe. Mit der Erfahrung einer Frau mit sieben Kindern nahm Señora Frias Sophie in die Arme, die sie, offenbar zufrieden, anlächelte.
„Ich schätze, sie mag sie“, äußerte Srikkanth mit einem leisen Lächeln.
„Alle Babys mögen meine Mamá“, erklärte Jaime und stellte sich neben Srikkanth, während seine Mutter Sophie hin und her schaukelte und in schnellem Spanisch etwas summte.
„Natürlich tun sie das“, sagte Señora Frias. „Sie wissen, dass ich sie mag. Komm mit mir, angelita . Ich zeige dir, wie man Tortillas macht.“
Noch ehe einer der beiden Männer etwas sagen konnte, war sie durch die Tür in der Küche verschwunden. Srikkanth sah Jaime an, der beruhigend lächelte. „Lass mich dir die anderen vorstellen.“
Srikkanth atmete tief ein und setzte sein bestes Lächeln auf, als Jaime ihn weiter in das Wohnzimmer führte. „Srikkanth, das ist meine Schwägerin Paula.“
„Schön, dich kennenzulernen“, begrüßte Srikkanth sie und streckte seine Hand aus.
„Schön, dich kennenzulernen, Srikkanth. Seit Tagen redet Juana nur noch von Sophie“, sagte Paula und schüttelte seine Hand. „Sie meint, Sophie wäre ein viel ruhigeres Baby, als meine Neffen es jemals waren.“
„Sie hat ihre Momente“, räumte Srikkanth ein, „doch ja, die meiste Zeit ist sie ein kleiner Engel.“
„Sie sind also Jaimes Vermieter?“, fragte einer der anderen.
„Nein, Vicente“, antwortete Jaime, bevor Srikkanth sich entscheiden konnte, was er darauf antworten sollte. „Srikkanth ist mein fester Freund.“
„Oh, aber ich dachte ...“ Unbeholfen brach er ab.
„Nicht denken“, sagte die Frau, die neben ihm stand. „Ich bin Lourdes, Jaimes Schwester. Ich freue mich, dass du hier bist, auch wenn mein Mann nicht weiß, wann er seinen Mund halten soll.“
„Ist schon in Ordnung“, versicherte ihr Srikkanth. „Jaime hat vor drei Jahren ein Zimmer bei mir angemietet. Er lag also nicht ganz so falsch.“
Lourdes warf ihrem Mann einen erneuten Blick zu. „Das weiß er. Er ist nur begriffsstutzig. Wie alt ist deine Tochter?“
„Sieben Monate“, antwortete Srikkanth und fieberte dem sichereren Thema entgegen.
„Da fangen sie an, Spaß zu machen“, meinte Lourdes. „Meine Jungs sind vier und sechs. Irgendwo rennen sie hier herum, womöglich unten. Da bewahrt ihre abuela die Videospiele auf, die sie sie angeblich nicht spielen lässt. Hoffentlich passt Luis auf, dass sie nur die Spiele für Kinder spielen.“
„Luis ist mein jüngster Bruder“, erinnerte ihn Jaime. „Er ist sechzehn. Die Jungs himmeln ihn an.“
„Weil er sie mit allem was sie wollen, davon kommen lässt“, sagte Vicente sauer.
Alle ignorierten ihn.
„Juana!“ Señora Frias Stimme durchbrach die Stille.
Juana verschwand in der Küche und kehrte ein paar Minuten später mit Sophie auf dem Arm zurück. „Mamá sagt, das Essen ist in fünfzehn Minuten fertig.“ Bevor Srikkanth sie fragen konnte, ob er ihr Sophie abnehmen solle, setzte sie sie auf Alvaros Schoß. „Sie meinte, bis zum Essen sollst du das Baby nehmen.“
Jeglicher Widerspruch der anderen wurde damit verhindert. Doch es hielt Srikkanth nicht davon ab, seinen Atem anzuhalten, um zu sehen,
Weitere Kostenlose Bücher