Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
Bevölkerung, dass die Medien lügen. Oft kümmert es niemanden, was in der Zeitung steht. Es gibt andere, geheime Kanäle, um herauszufinden, was wirklich im Land geschieht. Aber diese Tatsache dringt nicht unbedingt bis zu denjenigen vor, die an der Spitze des Landes stehen. Die Mitglieder der Junta werden mit Informationen gefüttert, die sie von Untergebenen erhalten, welche sich einschmeicheln und Karriere machen wollen. Informationen werden daher angepasst und von unbequemen Wahrheiten gesäubert, und den Generälen wird gesagt, was sie hören wollen. In dieser Hinsicht schien die Führung der SLORC eine Volksmeinung vernommen zu haben, die niemals existierte. Tatsächlich glaubten sie, die Wahl zu gewinnen. Sie glaubten, dass die Millionen, die auf den Straßen protestiert hatten, trotz allem nur eine Minderheit repräsentierten. Eine Blindheit sondergleichen.
Erstens ignorierten die Generäle willentlich die in den Protesten steckende Kraft. Und zweitens erkannten sie nicht das spezifisch Neue, das im Laufe des Jahres in der Demokratiebewegung herangewachsen war. Niemals zuvor hatten sich alle ethnischen Gruppen Burmas denselben Demonstrationen angeschlossen. Niemals zuvor waren sich alle in ihrer Kritik an der Misswirtschaft der Junta so einig. Darüber hinaus hatte Aung San Suu Kyi die politische Bühne betreten. Langsam gewöhnte sie sich an den Gedanken, in dieser politischen Krise nicht nur zu vermitteln, sondern sogar die Opposition anzuführen. Ein historischer Flügelschlag sowie purer Zufall hatten sie zu einem Zeitpunkt in die Heimat geführt, an dem man sie am nötigsten brauchte. Zum ersten Mal seit über 40 Jahren gab es eine Person, auf die sich alle Regimekritiker einigen konnten. Diese Person hieß Aung San Suu Kyi. Und zum ersten Mal seit Eintreten der Souveränität vor über 40 Jahren konnte ein neues Kapitel aufgeschlagen werden.
4.
Das Erbe
In Burma kommt man leicht mit den Menschen ins Gespräch. Obwohl die Sicherheitspolizei das Land mit einem Netzwerk aus Denunzianten überzogen hat und das Volk jahrelang unterdrückt wurde, berichten die Menschen gern über ihren Alltag und ihre Verachtung für die Machthaber.
Vor ein paar Jahren hatte ich während einer Reise durch Burma eine christliche Organisation im Zentrum Ranguns besucht. Einer der dort arbeitenden Geistlichen erzählte mir vom Widerstand der ethnischen Minderheiten gegen die Junta sowie von ihrem Kampf für die Beibehaltung der eigenen Sprache und Traditionen.
Nach dieser Begegnung überquerte ich die Straße und setzte mich in ein Teehaus. Es war mitten am Tag, die Hitze war geradezu unerträglich. Ich bestellte eine Star Cola – Burmas Antwort auf Pepsi – und widmete mich meinen Notizen. Kurz darauf sprach mich ein Mann am Nachbartisch an. Erst in diesem Moment bemerkte ich, dass er ein grünes Militärhemd trug. Ein abgetragenes grünes Hemd ohne irgendwelche Rangabzeichen. Vielleicht war er einmal Soldat gewesen oder gerade vom Militärdienst beurlaubt.
Der Mann war Mitte 20 und fragte, was ich von Burma hielte. Da ich formell betrachtet als Tourist im Land war, erwiderte ich seine Frage mit der üblichen Auflistung beeindruckender Pagoden und historischer Denkmäler.
»Und was denken Sie über die Wirtschaft?«, fragte er.
Erstaunt blickte ich auf. Wirtschaft ist ein Codewort. Wenn die Menschen es benutzen, dann meist, um eine Unterhaltung über Politik einzuleiten. Danach führten wir ein leises Gespräch über das Regime, die Armut und die mangelnde Entwicklung. Über Aung San Suu Kyi konnten wir nicht reden; so weit wagte ich nicht zu gehen. Als die Unterhaltung fast beendet war, deutete ich auf ein Bild an der Wand, das ihren Vater, General Aung San zeigte.
»Er verstand Burmas Probleme«, sagte der Mann leise. »Er hätte die Spaltung aufhalten können.«
Dieser Kommentar ist ganz typisch. Man hört ihn überall in Burma.
Obwohl 60 Jahre vergangen sind, seit Aung San ermordet wurde, ist er doch immer noch eine der bedeutendsten Figuren des Landes. Die Souveränität Burmas wird ihm zugeschrieben, und sowohl die Demokratiebewegung als auch das Militär bedienen sich seines politischen Erbes, um ihre Politik zu legitimieren. Wollte man es sich einfach machen, so könnte man sagen, dass er Burmas Äquivalent zu George Washington ist. Ein Mann, der die Kolonialmacht davonjagte und eine Nation gründete.
Aung San wurde am 13. Februar 1915 in Natmauk, einer verschlafenen Stadt in den zentralen
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