Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
ist von größter Bedeutung, dass wir unseren Einfluss in diesem Land behalten. Nicht weil das Land an sich größere Bedeutung hätte, sondern weil es für die Nation überaus wichtig ist, eine gute Kommunikation mit der Bevölkerung aufrechtzuerhalten, die im westliche China wohnt.«
In der burmanischen Hauptstadt Mandalay kam schließlich König Thibaw durch ein kompliziertes Intrigengespinst an die Macht. Um sich aller denkbaren Konkurrenten um den Thron zu entledigen, hatte er über 80 seiner engsten Verwandten umbringen lassen. Männer, Frauen und Kinder waren in weiße Säcke gezwängt, auf den Palasthof geführt und dann von Thibaws Leibwächtern zu Tode geprügelt worden. Die Briten hatten schon lange ein Auge auf die nördlichen Landesteile geworfen, und das brutale Vorgehen König Thibaws lieferte ihnen den passenden Vorwand. Als sie im Herbst 1885 angriffen, hatte die burmanische Armee den gut ausgerüsteten und disziplinierten englischen Truppen nichts entgegenzusetzen; der Krieg war innerhalb von zwei Wochen entschieden. Mandalay wurde eingenommen und geplündert, Thibaw ins Exil an die indische Ostküste verbannt.
Kurz bevor die Briten angriffen, hatte Thibaw Aung Sans Verwandten U Min Yaung zum Befehlshaber über die Stadt Myolulin ernannt, die in der Nähe von Aung Sans Geburtsort Natmauk liegt. Unmittelbar nach dem Sturz Thibaws schafften die Briten das burmanische Adelssystem ab und riefen alle lokalen Machthaber dazu auf, sich gegenüber der Besatzungsmacht loyal zu erklären. Doch U Min Yaung weigerte sich. Er erklärte, lieber sterben zu wollen, als den Briten zu weichen, und stellte sich an die Spitze einer Guerillatruppe. Die Briten wussten, dass er in Zentralburma als populärer Anführer galt, und taten alles, um ihn auf ihre Seite zu ziehen. Als dies missglückte, starteten sie eine militärische Operation, um den Widerstand zu brechen. Nach einem längeren Katz- und Mausspiel wurde U Min Yaung gefasst und enthauptet.
Dennoch dauerte es über 20 Jahre, bis die Kolonialmacht auch in der Praxis die Kontrolle über Burma übernehmen konnte. Überall trafen die rot gekleideten Soldaten auf Widerstand ehemaliger Offiziere der burmanischen Armee oder der ethnischen Minderheiten.
Die größte Volksgruppe in Burma sind die Burmanen. Sie machen ungefähr 60 Prozent der Gesamtbevölkerung aus und leben hauptsächlich in den zentralen Landesteilen nahe des etwa eintausend Kilometer langen Irrawaddys. Verwendet man das Wort burmanisch, bezieht man sich also auf die ethnische Majoritätsgruppe. Den Begriff burmesisch hingegen verwendet man zur Bezeichnung aller Volksgruppen, die in den Grenzen Burmas leben.
Außer den Burmanen gibt es zahlreiche ethnische Minoritätsgruppen, deren kleinste gerade einmal ein paar tausend Menschen umfasst. Die größten dieser Gruppen sind als eigene Volksgruppen deutlich voneinander zu unterscheiden. Lange Zeit hatten sie die Kontrolle über ihr eigenes Territorium und haben eigene soziale und politische Strukturen entwickelt. Sie verfügen über eigene Sprachen, eigene Kulturen und wissen um die Geschichte ihrer Völker. Die größten Volksgruppen sind die Karen, die Karenni (Kayah), die Mon, die Chin, die Shan, die Kachin und die Arakan. Diese Gruppen leben hauptsächlich in den bergigen und dschungelbewachsenen Grenzgebieten und waren im Laufe der Geschichte eigentlich nie der burmanischen Zentralmacht unterworfen. Das Land mit der Bezeichnung Burma bzw. Myanmar, welches heutzutage die Weltkarten ziert, hat also mit anderen Worten niemals existiert. Die verschiedenen Volksgruppen haben immer schon in unterschiedlichen Gesellschaften gelebt. Durch die Berge waren sie vor der Besatzung geschützt und verfügten über ein gewisses Maß an Souveränität.
Oft hatten die Grenzvölker in Konflikt mit den burmanischen Königen gestanden, und als die Briten einfielen, hegten sie keinerlei Absicht, die burmanische Monarchie zu verteidigen. Gleichwohl fürchteten sie, dass die Briten bei der Besatzung der Bergregionen nicht gerade zimperlich vorgehen würden, weswegen einige der ethnischen Gruppen auszogen, um gegen die Okkupation zu kämpfen.
Die Briten entschieden sich, die ethnischen Konflikte zu ihrem eigenen Vorteil auszunutzen. In Zentralburma, dem Siedlungsgebiet der Burmanen, wurde ein knallhartes Regime errichtet, das mehr oder weniger einer Militärdiktatur glich. In den Bergregionen erhielten die ethnischen Minderheiten die formale Souveränität, die sie
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