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Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi

Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi

Titel: Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesper Bengtsson
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die Kleidung wechselte, lieh er sie bei Freunden aus, weil er überhaupt nicht genügend saubere Kleidungsstücke besaß, die er hätte tragen können. In seiner Welt drehte sich alles um den antikolonialen Kampf. »Er hatte einen politische Urinstinkt, und Politik war alles, wofür er lebte«, sagte der Schriftsteller Dagon Taya viele Jahre später. »Keine sozialen Verpflichtungen, keine Etikette, keine Kunst, keine Musik. Politik war seine einzige Leidenschaft, und die machte ihn hart, brutal und roh.«
    Wenn Aung San an Debatten teilnahm, konnte es passieren, dass er ums Wort bat und dann ununterbrochen redete, bis er von den Buhrufen und Protesten des Publikums zum Schweigen gebracht wurde. »Aung San, du Idiot, setz dich hin!«, riefen sie ihm zu. Sein Englisch war zwar grammatisch korrekt, die Aussprache aber schlichtweg erbärmlich, und da der Unterricht sowie die öffentlichen Diskussionen auf Englisch geführt wurden, gab es viele, die überhaupt nicht verstanden, was er sagte. Ebenso konnte es vorkommen, dass Freunde zu Besuch kamen und ihn dabei überraschten, wie er den Büschen hinter seiner Studentenbude lange Vorträge hielt. Wenn sie ihn dann fragten, was er dort machte, erwiderte er, dass er dasselbe tat wie der britische Politiker Edmund Burke, wenn dieser sich an das Meer wandte, um seine rhetorischen Fähigkeiten zu erproben.
    Manchmal jedoch können solch exzentrische Persönlichkeiten ihren Platz in der Geschichte einnehmen und den Augenblick nutzen, in dem alles zusammenpasst. Und offenbar bot Burma in den 1930er Jahren eine passende Plattform in dieser Hinsicht. Denn innerhalb nur weniger Jahre wurde Aung San, neben anderen wie U Nu, Let Ya und Rashi, zu einem der führenden Vertreter der jungen nationalistischen Bewegung.
    Die Studentenschaft an der Universität Rangun bot eine erste Ausgangsbasis. Aung San wurde zum Redakteur der Studentenzeitung
Oway
(Pfau) ernannt. In einer Ausgabe veröffentlichte Aung San den Artikel »Hell Hound at Large«, in dem er einem der englischen Universitätslehrer vorwarf, Prostituierte besucht zu haben. Angesichts der Tatsache, dass die meisten in Burma lebenden männlichen Briten zu jener Zeit regelmäßig Bordelle aufsuchten, war dies sicher eine zutreffende Anklage. Als die Universitätsleitung verlangte, dass Aung San den Urheber des Artikels benennen sollte, weigerte er sich und wurde daraufhin exmatrikuliert. Dies führte zu einem massiven Streik der Studenten. Die Universitätsleitung gab nach, und Aung San konnte sein Studium fortsetzen. Der Streik und Aung Sans Starrköpfigkeit riefen in Burmas Presse große Aufmerksamkeit hervor, und alle burmanischen Organisationen und Vertreter ergriffen Partei für die Studenten. Aung San hatte den ersten Schritt zu nationalem Ruhm hinter sich gebracht. Er war nicht länger der »verrückte« Aung San, sondern der »Redakteur« Aung San. Einige Jahre später wurde er zum Vorsitzenden der Studentenschaft in Rangun sowie der nationalen Studentenorganisation All Burma Federation of Student Unions gewählt.
    Es gab eine Gruppe von Nationalisten, die mit dem Faschismus liebäugelte und gute Kontakte zum japanischen Kaiserreich hatte. Dazu gehörten Saw, Ba Maw und auch Aktivisten der jüngeren Generation wie beispielsweise Ne Win, der spätere burmesische Diktator.
    Aber sogar linksgerichtete Nationalisten wie Aung San flirteten in den 1930er Jahren für eine kurze Zeit mit faschistischem Gedankengut. Doch die dominierende Ideologie war sozialistisch. Im Marxismus und in Lenins Kritik am Kolonialismus fanden die jungen Nationalisten ein Gegengewicht zu dem ökonomischen und politischen System, das sie hassten und von dem sie sich befreien wollten.
    Anfang 1937 war Aung San an der Gründung des Buchclubs »Roter Drache« beteiligt. Bis zum Kriegsausbruch publizierte dieser Artikel und Übersetzungen europäischer Titel der linken Literatur wie beispielsweise John Stracheys
The Theory and Practice of Socialism
, die Werke Nietzsches, Texte von Marx und Bücher über die irische Sinn Féin.
    Im Gleichtakt mit der Radikalisierung der Nationalisten erhöhten sich auch die internen politischen Spannungen. Die antikoloniale Kritik verlor sich mitunter in ideologischen Haarspaltereien und Debatten, die oftmals nur dazu gedacht waren, sich zwischen den verschiedenen Fraktionen der Bewegung zu positionieren. Vielleicht ist dies eine Erklärung dafür, dass Aung San eine so starke Stellung einnehmen konnte: Im Unterschied zu

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