Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
1989 erklärte Aung San Suu Kyi, dass sie eine alternative Kundgebung anlässlich des 42. Jahrestages der Ermordung ihres Vaters durchzuführen beabsichtigte. Bereits seit 1962 hatte das Militär den 19. Juli stets zur Unterstreichung seines eigenen Machtanspruchs benutzt und in einen Feiertag zur Huldigung der Militärführung verwandelt. Doch anstatt an den Feierlichkeiten des Regimes mitzuwirken, plante Aung San Suu Kyi einen separaten friedlichen Marsch durch die Straßen Ranguns. Am 15. Juli fand eine Zusammenkunft von NLD und UNLD , der Allianz der ethnischen Minderheiten, statt. Lian Sakhong war einer der Teilnehmer und berichtete, dass Aung San Suu Kyi und die Vertreter der UNLD planten, diesen Marsch für eine gemeinsame Kundgebung zu nutzen. U Tin Oo und die anderen Generäle in der Führung der NLD reagierten jedoch äußerst ablehnend und drohten, sich der Kundgebung des Regimes anzuschließen, falls der Vorschlag angenommen würde. Die pensionierten Generäle in der Leitung der NLD misstrauten den ethnischen Gruppen, und viele von ihnen wollten unter allen Umständen die Kontrolle über die Teilstaaten behalten. Aung San Suu Kyi hingegen war der Ansicht, dass eine föderale Verfassung nötig sei, um Frieden im Land zu schaffen, und suchte daher eine noch engere Zusammenarbeit mit der UNLD . Darüber hinaus schlug sie vor, dass die NLD von einer Kandidatur in den Teilstaaten absehen sollte, damit die Parteien der ethnischen Gruppen keine Konkurrenz durch die NLD erfahren mussten. Der Konflikt innerhalb der NLD sollte sich allerdings gar nicht weiter zuspitzen können. Als die SLORC Kenntnis von den Plänen einer alternativen Kundgebung für den 19. Juli erhielt, wurden einige Regimentsbataillone aus der Umgegend der Hauptstadt zusammengerufen und auf die Straßen geschickt. Gleichzeitig verkündeten die staatlich kontrollierten Massenmedien, dass die Junta um jeden Preis die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung durchsetzen wolle.
Angesichts der Gefahr eines neuen Blutbads wurde die Kundgebung abgeblasen. Die Junta allerdings hatte nun einen Vorwand gefunden, um die Daumenschrauben anzuziehen. Früh am Morgen des 20. Juli 1989 tauchten elf schwere Lastwagen auf der University Avenue auf. Die Fahrzeuge wurden so abgestellt, dass sie den gesamten Verkehr vor dem Haus Aung San Suu Kyis blockierten. Die Soldaten sprangen von den Ladeflächen und hinderten alle am Verlassen des Hauses.
Mehrere Stunden vergingen, ohne dass etwas geschah. Entweder wollten die Soldaten Unruhe und Unsicherheit unter den rund 40 NLD -Aktivisten und ihren Familienmitgliedern im Haus verbreiten, oder sie warteten auf einen Befehl von oben. Aung San Suu Kyi fürchtete, dass die Zeit nun gekommen war und begann zu packen. »Wenn sie mich ins Gefängnis werfen sollten, wollte ich auf jeden Fall eine Tasche mit dem Allernotwendigsten bei mir haben«, erzählte sie einige Jahre später. »Ein paar Kleider zum Wechseln und eine Zahnbürste. Danach machten wir es uns gemütlich und warteten.«
Suu Kyi nutzte den Tag, um sich mit ihren Parteikameraden zu unterhalten, und genoss die Anwesenheit ihrer Söhne Alexander und Kim. Sie waren einige Wochen zuvor zusammen mit ihrem Vater nach Rangun gekommen, aber Michael war zurückgereist, um an der Beerdigung seines eigenen Vaters in Schottland teilzunehmen. Der 16-jährige Alexander war alt genug, um zu verstehen, dass die Soldaten eine Bedrohung darstellten, Kim jedoch fand die Ereignisse in erster Linie spannend. »Ich erinnere mich, wie die Soldaten zum Haus kamen«, sagte er 2004 in einem Interview mit der Zeitung
The Weekly
. »Den ganzen Tag lang herrschte Chaos, überall sah man Waffen und schreiende Soldaten. Ich wusste eigentlich nicht, was passierte, aber für einen Zwölfjährigen wie mich war es unglaublich spannend. Meine Mutter war zuversichtlich, zumindest wenn ich in der Nähe war, und ich erinnere mich nicht, dass ich Angst hatte.«
Einer von Suu Kyis Assistenten spielte mit den Kindern zum Zeitvertreib Monopoly. Gegen vier Uhr hatte das Warten ein Ende. Ein halbes Dutzend Soldaten stürmte ins Haus und durchsuchte die Büroräume im Souterrain. Sie zogen die Schreibtischschubladen heraus, kippten den Inhalt auf den Boden und durchsuchten Garderoben und Küchenschränke. Dann kam ein älterer Offizier hinzu. Er forderte U Tin Oo und U Kyi Maung zum Verlassen des Hauses auf. Die anderen wurden verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Einige wurden nach zwei oder drei Tagen
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