Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
wollte ihre Tochter bei sich haben, und es kam nicht in Frage, dass sie allein in Rangun zurückblieb. Für ihren Bruder Aung San Oo war die Situation anders; er war 17 Jahre alt und befand sich bereits in einem Internat in England.
Aung San Suu Kyi und ihre Mutter verließen ein Land, das sich am Rande des totalen Chaos befand. Die Regierung hatte noch immer Probleme mit der kommunistischen Guerilla, ein paar kleinere ethnische Gruppen hatten zu den Waffen gegriffen, und die Kuomintang stellte in den abgelegenen Bergen des Shan-Staates weiterhin eine Quelle ständiger Unruhe dar. In einem Interview mit dem dänischen Autoren Aage Krarup Nielsen räumte Premierminister U Nu ein, dass es dunkle Wolken am sonst so lichten Himmel gab. Aufgrund der ewigen Streitereien war der Wiederaufbau des Landes vernachlässigt worden. Vor dem Krieg hatte das Land drei Millionen Tonnen Reis exportiert, nun lag die Zahl bei knapp zwei Millionen Tonnen. Aus Angst vor Plünderungen wagten die Bauern nicht, ihr Land zu bestellen. »Wir können nicht jede Stadt befestigen oder jeden Straßenabschnitt sichern!«, sagte U Nu. »Aber wir werden sie schon kriegen! Wir wissen, dass ihre Kampfmoral gesunken ist, und wir wissen auch, dass die wieder aufgeflammten Guerillaangriffe der letzten Zeit ein Zeichen von Schwäche sind, der letzte verzweifelte Kampf mit dem Rücken an der Wand.«
Obwohl der Bürgerkrieg bereits zehn Jahre andauerte, gab es in der restlichen Welt noch immer viel Verständnis dafür, dass die Regierungsarmee mit harter Hand gegen die Rebellen vorging. Die Burmanen verglichen manchmal sogar ihre Geschichte mit der Geschichte der USA . In den USA hatte es hundert Jahre gedauert und einen blutigen Bürgerkrieg gekostet, bevor ein föderaler Staat gegründet werden konnte. Burma seinerseits musste demnach ein historisch notwendiges Stahlbad durchlaufen.
Doch dieser Standpunkt erwies sich als grundsätzlich falsch. Wie in allen vom Krieg gezeichneten Gesellschaften erlang das Militär sukzessiv immer mehr Macht. Die 1950er Jahre waren von ständigen Meinungsverschiedenheiten zwischen der Zivilregierung und Armeechef Ne Win geprägt. Vor dem Hintergrund des blutigen Bürgerkrieges verschlang die Armee einen immer größer werdenden Teil des Staatshaushalts, und die Generäle vereinnahmten schrittweise große Teile des Wirtschaftslebens. Diese Entwicklung begann 1951, als das militäreigene Defense Service Institute ein Lebensmittelgeschäft in Rangun eröffnete. Der dahinterliegende Gedanke war, dass das Armeepersonal die Möglichkeit erhielt, Waren zu kaufen, die in Burma ansonsten nicht zu haben waren. Ähnlich den Geschäften für die Nomenklatur im ehemaligen Ostblock. Viele Offiziere und Soldaten begriffen schnell, dass sie mehr Waren kaufen konnten, als sie selbst benötigten, und verkauften sie weiter auf dem Schwarzmarkt. Innerhalb kurzer Zeit öffneten 18 ähnliche Geschäfte. Kurz danach eröffnete die Armee eine Buchhandlung, die zu Beginn nur den Bedarf der Soldaten decken sollte, aber schon bald Papier, Bücher und Schreibutensilien auch an Zivilisten verkaufte. Der nächste Schritt war die Herausgabe der Zeitung
Myawaddy
, die sich im Besitz der Armee befand und den Auftrag erhielt, die Berichterstattung der ansonsten regierungskritischen Presse »auszubalancieren«. Die Zeitung hatte großen Erfolg, konnte ihren Journalisten gute Löhne zahlen und bot neben vierfarbigen Annoncen ihren Lesern zudem einfache Unterhaltung. Ende der 1950er Jahre befanden sich Bauunternehmen, Reedereien, Ladenketten und eines der führenden Exportunternehmen im Besitz der Armee.
Parallel mit der wirtschaftlichen Expansion baute Ne Win eine ihm loyal ergebene Armee, eine effektiv arbeitende Sicherheitspolizei sowie ein Netzwerk aus Denunzianten auf. Dabei machte er sich das Wissen und die Erfahrung der britischen Sicherheitspolizei und der im Krieg gefürchteten japanischen Militärpolizei zunutze. Schon 1941 im Trainingslager der Dreißig Kameraden in Hainan hatte er großes Interesse am Nachrichtendienst sowie den Foltermethoden der japanischen Armee gezeigt und fand als Armeechef mit ständig wachsender Macht genügend Anlässe, seine Kenntnisse aus jener Zeit anzuwenden.
Gegen Ende der 1950er Jahre wurde deutlich, dass die Situation des Landes U Nu langsam, aber sicher aus den Händen glitt. Der Bürgerkrieg nahm kein Ende, und im Herbst 1958 gab der demokratisch gewählte Premierminister auf und überließ die Macht einer
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