Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
die darauf warteten, dass der großgewachsene Engländer aus dem Flugzeug stieg. Er wurde unmittelbar in die VIP-Lounge im Hauptgebäude geführt, wo ihm ein Offizier erklärte, dass er, unter der Voraussetzung, sich an bestimmte Bedingungen zu halten, seine Frau und seine Söhne besuchen dürfe. Er dürfe das Haus in der University Avenue nicht verlassen und während seines Aufenthalts in Burma unter keinen Umständen mit der Presse oder Vertretern der britischen Botschaft sprechen. Michael akzeptierte die Bedingungen. Der einzige Zweck seiner Reise war, die Familie wiederzusehen und die Söhne zurück nach Oxford zu bringen. Im Gegensatz zu den Generälen glaubte er nicht eine Minute daran, dass Suu Kyi ihnen folgen würde. »Sie hatte entschieden, dass dies ihre Aufgabe war, und ich hatte keinerlei Ambitionen, sie zu irgendetwas anderem zu überreden«, äußerte er sich später.
Nach dem kurzen Verhör am Flughafen wurde er in ein Militärfahrzeug gesetzt und weggefahren. Kein Außenstehender wusste, wohin man ihn gebracht hatte. Er schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Die internationale Presse berichtete von der Entführung des englischen Akademikers durch eine Junta, die sich weigerte, die Frage zu beantworten, ob er »gefangen« gehalten wurde.
Das Militär fuhr ihn direkt zum Haus am Inya See. Sobald er die Türschwelle überschritten hatte, wurde er mit der Neuigkeit konfrontiert, dass Aung San Suu Kyi in den Hungerstreik getreten war. Drei Tage zuvor war sie aus Protest gegen die Folter, der ihre Freunde und Parteikollegen im Gefängnis ausgesetzt waren, in einen Hungerstreik getreten. Sie lehnte jede Sonderbehandlung ab und forderte darüber hinaus, zu den anderen ins Insein-Gefängnis gebracht zu werden.
Der Familie standen zwölf schwierige Tage bevor. Kim und Alexander spielten, lasen und konnten nichts anderes tun, als zuzusehen, wie sich der Zustand ihrer Mutter zunehmend verschlechterte. Um das Haus herum und auf der Straße waren Wachposten verteilt, die sich gegenüber der Familie jedoch korrekt und diszipliniert verhielten. Trotz allem hatten die Soldaten noch immer Respekt vor Aung Sans Tochter und ihren Kindern. Ein paar von ihnen kümmerten sich sogar um die Jungen und brachten ihnen im Garten Judo und Karate bei.
»Nach außen zeigten die Jungen keine Gefühlsregung. Genau wie Suu Kyi von ihrer Mutter erzogen worden war, hatte auch sie den Jungen beigebracht, eine typisch englische ›stiff upper lip‹ zu bewahren«, berichtete eine von Suu Kyis Assistentinnen später, nachdem sie von der Junta gezwungen worden war, ihren Job aufzugeben und sich von Aung San Suu Kyi zu distanzieren.
Laut Michael Aris verlor Suu Kyi im Laufe des zwölftägigen Hungerstreiks sechs Kilo Gewicht; recht viel für eine ohnehin schon zart gebaute Person. Als sie immer schwächer wurde, lenkte die Junta zumindest teilweise ein und versprach, dass ihre Mitstreiter der Folter entgehen und einen ordentlichen Prozess bekommen sollten. Aung San Suu Kyi zögerte. Eigentlich wollte sie den Hungerstreik fortsetzen, bis auch ihre letzte Forderung erfüllt und sie ins Gefängnis gebracht werden würde. Michael zweifelte nicht daran, dass sie so lange wie nötig weitermachen würde, konnte sie schließlich aber doch überzeugen, die gegebene Situation zu akzeptieren und sich von einem Arzt helfen zu lassen, der sofort eine intravenöse Behandlung veranlasste.
Nachdem Michael Aris 21 Tage vom Radarschirm verschwunden war, erhielt er am 12. August 1989 die Erlaubnis, mit der britischen Botschaft zu sprechen. Er berichtete von Suu Kyis Gesundheitszustand und ihren Forderungen an die Junta. Die ausländischen Medien schrieben, dass »die Jagd nach Dr. Aris vorüber ist und er sich, unter massiver militärischer Beobachtung, an der Seite seiner Frau befindet«.
In der Praxis kam es natürlich anders, als die Generäle versprochen hatten. Viele der im Laufe des Wahlkampfs verhafteten Aktivisten wurden brutaler Folter unterworfen und saßen ohne ordentlichen Prozess jahrelang im Gefängnis. Min Ko Naing, der die Studentenproteste im Jahr zuvor angeführt hatte, kam 1989 ins Gefängnis und wurde erst 2004 wieder auf freien Fuß gesetzt. Viele seiner Freunde erhielten ähnlich hohe Strafen und berichteten später von systematischer Folter und erbärmlichen Zuständen im Gefängnis. Aber Aung San Suu Kyi hatte ein Zeichen gesetzt. Sie war nicht bereit gewesen, ausnahmslos alles zu tolerieren, und hatte alles getan, um sich
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