Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
gegen die Junta zur Wehr zu setzen, sogar aus dem Hausarrest heraus. Ebenso hatte sie verkündet, sich auf keinen Fall den Wünschen der Junta zu beugen und das Land zu verlassen. »Wollt ihr das, dann müsst ihr mich in Ketten zum Flughafen Mingaladon schleifen.« Sie hatte die Rolle der Anführerin für die Demokratiebewegung übernommen und war bereit, die Situation »auszusitzen«. Im Laufe der folgenden Jahre gestattete die Junta Michael und den Kindern nur einige wenige Besuche. Die Familie war zerrissen.
Michael Aris und Aung San Suu Kyi heirateten im Januar 1972 gemäß der burmesischen Tradition im Hause von Paul und Patricia Gore-Booth in Chelsea. Es gibt ein wunderbares, wenngleich auch vergilbtes und von den Jahren gezeichnetes Hochzeitsfoto. Michael trägt einen dunklen Anzug mit weißem Hemd und Krawatte, im Knopfloch steckt eine Blume. Sein Haar ist so wild frisiert, wie es nur in den 1970er Jahren möglich war. Suu Kyi, ein ganzes Stück kleiner als ihr Mann, trägt ein weißes, schulterfreies Kleid. Ihr Haar ist zu einem komplizierten, mit Blumen geschmückten Knoten arrangiert, eine weiße Perlenkette ziert ihren Hals.
Im Spätherbst 1971 hatte Suu Kyi beschlossen, New York zu verlassen. Doch keineswegs, weil sie die Stadt, den Job oder das Leben dort müde geworden war. Sie fühlte sich wohl bei der UN und glaubte auch, einen Nutzen aus ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit im Bellevue Hospital zu ziehen. In der Tat hatte sie durch die Zeit in den USA mehr gelernt als an der Universität. Doch zu guter Letzt wollte sie mit Michael Aris zusammenleben. Im Frühjahr 1971 besuchte sie ihn in Bhutan, wo die beiden Gelegenheit hatten, sich richtig kennenzulernen. Sie unternahmen lange Ausflüge in die Berge, und Michael zeigte ihr das Land, in dem er im Laufe des letzten Jahres gelebt und gearbeitet hatte. Sie sprachen über die Zukunft. Danach flog sie zurück nach New York. Während der folgenden acht Monate schrieb sie Michael 187 Briefe. Sie führte die Vor- und Nachteile einer Ehe auf und machte deutlich, dass ihre Loyalität gegenüber ihrer Heimat die Ehe möglicherweise beeinflussen könne. Aber trotz allem sagte sie schließlich ja.
Michael Aris’ Familie und viele der gemeinsamen Freunde nahmen an der Hochzeit in London teil. Michaels Geschwister scherzten darüber, dass Suu Kyis Brautjungfern allesamt Männer waren. »Viele ihrer Verehrer aus der Zeit in Oxford waren anwesend«, erzählt einer von Michaels Geschwistern 40 Jahre später mit einem Lachen. »Sie bewunderten sie und hatten sich mit beiden Eheleuten gut angefreundet. Michael hatte großes Glück, dass sie ihn gewählt hat.«
Khin Kyi war bei der Hochzeit nicht dabei. Es gefiel ihr nicht, dass ihre Tochter einen Engländer heiratete. Erst im folgenden Jahr, als Michael und Suu Kyi sie in Rangun besuchten, gab sie ihren Segen. Auch Suu Kyis Bruder Aung San Oo nahm nicht an der Hochzeit teil. Zu jener Zeit hatten die Geschwister schon seit Jahren kaum noch Kontakt zueinander, auch dann nicht, als beide in den USA lebten.
Im Laufe der folgenden Jahre wurde immer deutlicher, welche Ausmaße der Konflikt zwischen Aung San Suu Kyi und ihrem Bruder angenommen hatte. Als Suu Kyi zu Beginn der 2000er Jahre zum zweiten Mal unter Hausarrest stand, machte Aung San Oo plötzlich Ansprüche auf das halbe Haus in der University Avenue geltend. Allgemein wird angenommen, dass er auf Geheiß der Junta agierte und seinen Anteil an den Staat zu verkaufen beabsichtigte, so dass Aung San Suu Kyi viel einfacher hätte überwacht werden können. Die Auseinandersetzung wurde vor einem Gericht ausgetragen. Dort wurde entschieden, dass Aung San Oo als amerikanischer Staatsbürger kein Recht auf Besitz in Burma habe. Die Junta hat im Nachhinein die Gesetzeslage in Frage gestellt, so dass die Situation noch heute ungeklärt ist. Als Aung San Suu Kyi das Haus nach dem Orkan Nagris reparieren wollte, tat Aung San Oo alles, um das Projekt zu verhindern. Erst Ende April 2010 wurden die Renovierungspläne von einem Gericht in Rangun genehmigt.
Ein naher Verwandter hat die Vermutung geäußert, dass Suu Kyis Heirat mit Michael Aris den definitiven Bruch der Geschwister verursacht habe.
Die Anwesenheit eines offiziellen Repräsentanten aus Burma bei der Hochzeit war ausgeschlossen. »Die Menschen in Burma hätten es nicht gut geheißen, dass Aung Sans Tochter einen Ausländer heiratet«, sagte U Chit Myaung, Burmas Botschafter in London, als er viele Jahre später
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