Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
vom Magazin
Vogue
interviewt wurde. »Hätte ich an der Hochzeit teilgenommen, wäre ich noch am selben Tag abberufen worden.«
Nach der Hochzeit zogen Michael und Suu Kyi nach Bhutan. Zum ersten Mal sollten sie jetzt zusammenleben. Michael wollte weiter als Lehrer der königlichen Familie arbeiten und sich gleichzeitig auf eine akademische Karriere mit dem Fachgebiet Kulturen des Himalaya vorbereiten. Suu Kyi hatte eine Anstellung als Beraterin im Außenministerium des Landes angenommen. Bhutan wollte Mitglied der UN werden, und das kleine, bisher von der Welt isoliert liegende Land musste sich mit dem System der Weltorganisation vertraut machen. Suu Kyis Erfahrungen aus New York kamen da gerade recht.
Viele betrachten es möglicherweise als politisch unkorrekt, für das Regime in Bhutan zu arbeiten. Bhutan war und ist eines der kleinsten und ärmsten Länder der Welt. Die höchsten Berge sind über 7 000 Meter hoch, in den Tälern lebt die Bevölkerung von Landwirtschaft und Handel. Die Hauptstadt Thimphu liegt 2 300 Meter über dem Meeresspiegel und erstreckt sich über das westliche Tal des Wang Chu. Viele Jahre lang leitete der König auch persönlich die Regierungsgeschäfte und betrachtete es als seine vornehmste Aufgabe, alle »Ausländer« zu vertreiben, was in der Praxis hieß, alle Inder und Nepalesen auszuweisen, von denen einige über viele Generationen im Land gelebt hatten. In den 1990er Jahren erntete der schwedische König scharfe Kritik von Menschenrechtsorganisationen, weil er und Königin Silvia eine Urlaubsreise in das Land unternommen hatten. Gleichzeitig jedoch hat Bhutan fast unbemerkt eine Modernisierung und Demokratisierung durchlaufen, die tatsächlich zu dem Zeitpunkt einsetzte, als Michael Aris und Aung San Suu Kyi dort arbeiteten.
Michael war unter anderem als Lehrer für Kronprinz Jigme Singye Wangchuck tätig, der 1974 zum König gekrönt wurde. Unter seiner Regentschaft hat sich das Land langsam verändert und geöffnet. Noch immer gilt Bhutan als Diktatur – viele Menschenrechtsorganisationen üben beständig Kritik am Regime –, doch es ist nicht unwahrscheinlich, dass Michael Aris einen Anteil an diesem noch immer währenden Veränderungsprozess hatte.
Das Paar blieb ein gutes Jahr in Bhutan und kehrte dann nach England zurück. Michael hatte von der University of London eine Doktorandenstelle erhalten. Außerdem war Suu Kyi schwanger, und der älteste Sohn des Paares, Alexander Myint San Aung Aris, wurde im April 1973 in London geboren.
Hier lebte die Familie nur wenige Monate. Kurz nach Alexanders Geburt wurde Michael von der University of California angeboten, eine Forschungsexpedition nach Nepal zu leiten. Er nahm das Angebot an, und Suu Kyi entschied sich, ihn zu begleiten, da sie mit dem neugeborenen Sohn nicht allein zurückbleiben wollte. Das Paar war sowohl mit den Bergen als auch mit der Kultur des Himalaya so vertraut, dass es falsch gewesen wäre zu behaupten, sie hätten sich auf unbekanntes Terrain begeben. Gleichwohl stellt sich die Frage, welches andere Elternpaar ihrer Generation über ebenso viel Mut und Entdeckerfreude verfügt hätte, um sich mit einem Neugeborenen auf eine monatelange Reise in den Himalaya zu begeben.
Als sie Ende 1973 nach England zurückkamen, zogen sie für eine kurze Zeit zu Michaels Eltern nach Schottland. Kurz darauf lockte die Universität Oxford Michael mit einer Stelle am St. John’s College zu sich zurück. Hier konnte er weiter an seiner Abhandlung über Bhutans historische Wurzeln arbeiten. Ende der 1970er Jahre wurde die Studie unter dem Titel
Bhutan: The early history of a Himalayan kingdom
veröffentlicht.
In dieser Zeit, Ende der 1970er Jahre, lebte das Paar ein traditionelles Familienleben. Aris arbeitete an seiner akademischen Karriere, und Suu Kyi blieb zu Hause und kümmerte sich um die Kinder. Ihr zweiter Sohn, Kim Thein Lin, wurde 1977 geboren. Suu Kyi war überwiegend mit Windelwechseln, Essenszubereitung und weiteren Haushaltspflichten beschäftigt, so dass für andere Dinge kaum Zeit übrig blieb. Ihre eigenen beruflichen Ambitionen stellte sie hinten an, und obwohl sie häufig ihre Mutter in Rangun besuchte, hatte sie keine konkreten Pläne, sich in der Heimat politisch zu engagieren.
Zur selben Zeit verschärften sich die Probleme in Burma. Der Krieg im Shan-Staat und den anderen Grenzgebieten setzte sich nahezu ununterbrochen fort. Im Jahr 1968 war jedes Tal und jeder Berggipfel von irgendeinem lokalen
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