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Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi

Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi

Titel: Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesper Bengtsson
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morgendlichen Runde unterwegs, um Gaben für das Kloster einzusammeln. Doch die Anzahl der Mönche und die symbolische Bedeutung des Datums ließen keinen Zweifel darüber aufkommen, worum es sich eigentlich handelte. Zehntausende von Zivilisten schlossen sich der Aktion an, und Studenten flankierten die Mönche, um sie vor Angriffen zu schützen. Soldaten wurden zusammengezogen, und als einer der Studenten eine Fahne mit dem Pfauensymbol hervorholte, wurden sie nervös und eröffneten das Feuer. Neun Mönche wurden erschossen, 14 weitere schwer misshandelt. Viele der Verletzten verschwanden spurlos, nachdem das Militär in den Straßen aufgeräumt hatte.
    Die Ereignisse wurden von den staatlichen Massenmedien heruntergespielt. Sie behaupteten, dass nur ein Mönch gestorben und die Gewalt von einigen Studenten, welche bewaffnete Wachleute attackiert hätten, ausgelöst worden wäre.
    Die Gewalt sowie der Versuch, die tatsächlichen Geschehnisse zu leugnen, löste eine neue Protestwelle aus. Überall im Land versammelten sich Mönche, um ihre Solidarität mit den Toten und Verletzten zu bekunden. Als sie an Offizieren und deren Familien vorbeischritten, wandten sie ihre Bettelschalen um und weigerten sich, Almosen von ihnen entgegenzunehmen. Den Mönchen bzw. dem Kloster nichts spenden zu dürfen, hat gemäß der buddhistischen Lehre schlechtes Karma zur Folge und gilt als eines der schlimmsten Dinge, die einem Buddhisten widerfahren können. Nachdem die Mönche den Boykott eine Zeitlang weitergeführt hatten, wurden die Offiziere schließlich so nervös, dass sie Mönche aus Thailand einfliegen ließen, die ihre Almosen annahmen.
    Die Herausforderung der Mönche war eine der größten Bedrohungen, denen die Junta je ausgesetzt war. Die Generäle mussten schnell reagieren. Saw Maung gab den Befehl, dass alle Klosterorden, die an den Protesten teilnahmen, aufgelöst werden sollten. Vor dem Hintergrund, dass die weltliche Macht in Burma zu keiner Zeit über das Recht verfügt hatte, sich in die Angelegenheiten der Klöster zu mischen, war dies eine sehr außergewöhnliche Entscheidung. »Wer sich dem Beschluss widersetzt, hat nicht länger das Recht, Mönch zu sein«, erklärte er. Lokale Befehlshaber erhielten die Befugnis, den Mönchen, die sich einer Zusammenarbeit widersetzten, die rote Mönchskleidung vom Leib zu reißen. Im Oktober führte die Armee Blitzaktionen gegen die Klöster durch. Tausende von Mönchen wurden drangsaliert und ins Gefängnis geworfen. Später wurde auch die traditionelle religiöse Führungsspitze des Klosterwesens abgesetzt und von der Junta durch eine handverlesene neue Gruppe ersetzt, die leichter zu kontrollieren war.
    Die Hoffnung der Demokratiebewegung auf schnelle politische Veränderungen erhielt schon im September einen empfindlichen Dämpfer. Eine kleine Gruppe von Parlamentariern der NLD war in Mandalay zusammengekommen, um ein Schattenkabinett zu bilden – eine Maßnahme, die die Partei bereits im Sommer hätte ergreifen müssen. Als die SLORC von der Durchführung dieses Treffens Kenntnis erhielt, eröffnete sie die Jagd auf alle gewählten Parlamentarier. Die gesamte Führungsspitze der NLD wurde verhaftet, darunter auch der pensionierte General U Kyi Maung, der während Aung San Suu Kyis Abwesenheit den Vorsitz führte. Alle verbliebene Hoffnung erstarb, als sich zeigte, dass die Junta nicht einmal davor zurückschreckte, gegen das Mönchtum vorzugehen und sich über die religiösen Traditionen hinwegzusetzen. Die Signale hätten nicht deutlicher ausfallen können; die Junta, so zeigte sich, wollte um jeden Preis an der Macht bleiben.
    Ebenso wenig hatte die Führung die Absicht, Aung San Suu Kyi freizulassen. Ganz im Gegenteil. Ein weiteres Mal wurde die Gesetzeslage angepasst, so dass es für eine absehbare Zeit möglich war, sie von der Öffentlichkeit fernzuhalten. Bislang konnte die Polizei ohne gerichtliche Überprüfung bis zu ein Jahr Hausarrest verhängen. Nun wurde diese Frist auf fünf Jahre verlängert.
    Aung San Suu Kyi quittierte auch diese Neuigkeit mit der ihr eigenen Gelassenheit. Um ihre Bewacher zu reizen, die mitunter ins Haus kamen, befestigte sie überall an den Wänden Zitate von Gandhi, Nehru sowie ihrem Vater, Aung San. Im Empfangszimmer im Erdgeschoss hing ein großes Porträt von ihm. Wenn sie manchmal nachts nicht schlafen konnte, lief sie hinunter und betrachtete das Bild. Hier konnte sie – vielleicht zum ersten Mal – spüren, dass sie

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