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Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi

Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi

Titel: Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesper Bengtsson
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heranwachsen ließe, dass niemand mehr hinein- oder herauskäme. Eine Variante des Märchens von Dornröschen, allerdings ohne einen Prinz, der den Zauber hätte durchbrechen können.
    Michael und die Söhne waren Ende August nach Oxford zurückgekehrt, rechtzeitig zum Semesterbeginn. Einige Tage später erreichte sie die Nachricht, dass die burmesischen Pässe der Jungen eingezogen worden waren. Im Gegensatz zu Aung San Suu Kyi verfügten Kim und Alexander über eine doppelte Staatsbürgerschaft, die ihnen ermöglichte, ohne Visum nach Burma zu reisen. Jetzt sollte ihnen das Recht verwehrt werden, ihre Mutter in Rangun zu besuchen. Da Suu Kyi ihrer Familie nicht nach Oxford folgen wollte und nun auch keinen Besuch mehr von ihr bekommen durfte, spekulierte die Junta darauf, dass die Sehnsucht nach den Kindern Suu Kyis Haltung im Hinblick auf eine Ausreise ändern würde.
    Das Einreiseverbot galt indes vorläufig nur für Kim und Alexander. Michael konnte im Spätherbst wieder nach Rangun reisen. »Ich habe diese Wochen als die glücklichsten unserer langen Ehe in Erinnerung«, schrieb er später. Sie führten lange Gespräche und feierten zusammen Weihnachten. »Es war wunderbar friedvoll. Suu hatte sich einer streng disziplinierten Tagesordnung mit Studien und Klavierstunden verschrieben. Aber es gelang mir, diese Ordnung zu durchbrechen.«
    Zur selben Zeit lehnte die Junta Suu Kyis Kandidatur für die Wahl 1990 ab. Die Verfassung des Landes war um einen Zusatz ergänzt worden, der allen Personen, die mit einem Ausländer verheiratet waren, die Teilnahme an allgemeinen Wahlen untersagte. Die NLD musste also ohne ihr prominentestes Mitglied antreten, was die Junta zu der Annahme verleitete, die Demokratiebewegung enorm geschwächt zu haben. Doch wieder einmal hatte sie das Ausmaß der Unzufriedenheit im Volk unterschätzt.
    Die Wahl sollte am 27. Mai 1990 durchgeführt werden. In den Tagen vor dem Urnengang zeigte die SLORC eine erstaunliche Offenheit. Monatelang hatte man alles getan, um die Opposition zu unterdrücken. Vielen Menschen war die Teilnahme an politischen Zusammenkünften untersagt worden, Aktivisten wurden bedroht und verhaftet, und die staatlichen Massenmedien betrieben knallharte Propaganda. Universitäten und Gymnasien waren geschlossen worden, damit die Studenten sich nicht zusammenraufen und oppositionelle Veranstaltungen organisieren konnten. Gleichwohl durften die NLD und beinahe 90 andere Parteien, darunter viele Vertreter der ethnischen Minderheiten, in den Tagen vor der Wahl am 27. Mai mehr oder weniger frei agieren. Internationale Medien und Wahlbeobachter wurden ins Land gelassen, und der Berichterstattung nach zu urteilen, deutete nicht viel darauf hin, dass die SLORC das Wahlergebnis zu manipulieren beabsichtigte. Bereits im Januar desselben Jahres war ein Hoffnungsschimmer aufgezogen, nachdem General Saw Maung geäußert hatte, dass die Junta von einer Ernennung der kommenden Regierung absehen wolle – diese solle allein durch das vom Volk gewählte neue Parlament eingesetzt werden. Trotz der offensichtlichen Unterdrückung der Meinungsfreiheit und der Übergriffe während des Wahlkampfs hatten seine Äußerungen bei den Wählern den Eindruck hervorgerufen, dass ihre Stimme entscheidend sein könnte. Ganze 73 Prozent der Bevölkerung gaben am Wahltag ihre Stimme ab; eine bemerkenswert hohe Wahlbeteiligung in einem Land, das seit 1960 keine Wahl mehr abgehalten hatte. Obwohl Aung San Suu Kyis Kandidatur verhindert worden war, konnte die NLD einen überwältigenden Wahlsieg für sich verbuchen. Sie gewann insgesamt 80 Prozent der Parlamentssitze. Davon entfielen 14 Prozent auf die Parteien der ethnischen Minderheiten, die mit der NLD ein Bündnis eingegangen waren. Die Partei der Junta, die National Unity Party ( NUP ), erhielt fast 20 Prozent der Stimmen, doch da das britische Wahlsystem mit Mehrheitswahlrecht in den Wahlkreisen zur Anwendung kam, wurden ihr nur wenige Parlamentssitze zugesprochen.
    Das Volk hatte sich in aller Deutlichkeit gegen die Militärjunta ausgesprochen. Aung San Suu Kyi hatte sich – in der Zeit, in der sie frei gewesen war und politisch arbeiten konnte – nicht nur mit ihrer Wahlkampagne durchgesetzt, sondern auch ihrer gewaltfreien Linie Gehör verschaffen können. Am Wahltag wurde nur von wenigen Gewaltausbrüchen in den Wahllokalen des Landes berichtet. Die Analyse des Wahlergebnisses zeigte darüber hinaus, dass die NLD sogar in Gebieten gewonnen hatte,

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