Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi

Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi

Titel: Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesper Bengtsson
Vom Netzwerk:
Gefangenen zu kümmern. Manchmal wurden wir auch informiert, dass einer ihrer Freunde in der Gefangenschaft gestorben war. In der einen Stunde ging es also um Leben und Tod, und in der nächsten musste sie wieder dieselben Fragen beantworten, auf die sie schon tags zuvor reagiert hatte, doch diesmal von einem Journalisten irgendeiner anderen Mediengesellschaft. Oft wurde sie wütend oder war frustriert über den starken Druck, und wenn Suu Kyi wütend wird, ist es kein Vergnügen, ihr im Weg zu stehen«, berichtet Stothard mit einem Lachen. »Es gibt eine Seite von ihr, die viele übersehen. Sie verfügt über ein enormes Temperament. Sie kann sehr wütend werden, aber meist geht das schnell vorüber, und im nächsten Augenblick ist sie wieder genauso heiter und positiv wie zuvor. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass diejenigen, die sie nicht so gut kennen, von diesem Feuer manchmal überrascht werden.«
    Debbie Stothard unterzog Suu Kyi einem Medientraining und brachte ihr bei, dass Wiederholungen das A & O im Umgang mit den Medien sind. Berichtet der eine Journalist über etwas Bestimmtes, heißt das nicht automatisch, dass alle anderen dasselbe schreiben. Debbie brachte ihr bei, die Journalisten während eines Interviews direkt anzublicken und in die Kamera zu sprechen, wenn sie für internationale Konferenzen eine Rede oder einen Aufruf auf Video aufzeichnete. Im Anschluss half Debbie dabei, das Band unbemerkt aus dem Land zu bringen.
    Ein solches Videoband wurde 1995 auch zur Weltfrauenkonferenz in Peking geschickt, wo Aung San Suu Kyi die Eröffnungsansprache halten sollte. In ihrer aufgezeichneten Rede erklärte sie, wieso es ihr unmöglich sei, persönlich an der Konferenz teilzunehmen: Sie würde in diesem Fall nicht nach Burma zurückkehren können. Daraufhin sprach sie sich für das Recht der Frauen auf Teilhabe an politischer Macht aus und kritisierte die patriarchalischen Traditionen ihrer Heimat. Sie verwies darauf, dass nur 14 der insgesamt 485 in das Parlament gewählten Politiker Frauen seien, die außerdem alle ihrer eigenen Partei angehörten.
    Ihre Rede war zu Beginn ein nahezu klassischer Appell für Gleichberechtigung, einen bedeutenden Teil ihrer Ansprache widmete sie jedoch dem Zusammenhang zwischen der buddhistischen Tradition und dem Streben nach Demokratie. Es gebe, so sagte sie, eine philosophische Ähnlichkeit zwischen der buddhistischen Tradition des gegenseitigen Vergebens (Pavarana) und dem vom Volk gewählten Parlament in einem demokratischen politischen System. Bei der Pavarana-Tradition versammeln sich die Mönche im Kloster, erörtern die zwischen bestimmten Menschen erfolgten Kränkungen und Beschuldigungen und fordern danach alle Beteiligten auf, einander zu vergeben.
    »Diese religiöse Institution könnte mit einer Kommission für Wahrheit und Versöhnung verglichen werden«, sagte Aung San Suu Kyi. »Sie könnte aber auch mit der demokratischsten aller Institutionen, nämlich dem vom Volk gewählten Parlament verglichen werden, wo sich Menschen zusammenfinden, um gemeinsam Probleme zu erörtern.«
    Der erwähnte Zusammenhang mag sich vielleicht etwas konstruiert und naiv anhören, aber bei den burmesischen Mönchen findet sich tatsächlich Zustimmung zu solch einer Deutung. Wie schon zuvor erwähnt, hatte das Mönchwesen – Sangha – stets eine unabhängige Rolle im Verhältnis zum burmesischen Staatsapparat. In Zeiten starker Unterdrückung oder staatlicher Repressionen durch Alleinherrscher oder Kolonialmächte war das Kloster immer ein freier Ort gewesen, wo die Menschen einen offenen und bedingungslosen politischen Dialog führen konnten. Daher war es kein Zufall, dass die Mönche immer eine wichtige Rolle in den Protesten gegen das Militärregime spielten. Und ebenso wenig war es ein Zufall, dass eine Gruppe von Mönchen der NLD nach der Wahl im Jahr 1990 anbot, das neue Parlament in einem Kloster in Mandalay zu versammeln.
    In ihrem Artikel »In quest of democracy«, einem Text aus
Freedom from fear
, entwickelt Aung San Suu Kyi diesen Gedanken noch weiter. Sie beschreibt, wie die Mitte der 1980er Jahre aufkeimende Protestbewegung in ihren Erörterungen und Überlegungen über Macht und Einfluss des Volkes nach Vorbildern suchte und Antworten sowohl in der Tradition der westlichen Ideengeschichte als auch der eigenen Historie fand. Beispielsweise erwähnt sie die Erzählungen über Buddha und seine zehn Empfehlungen zur idealen Herrschaftsform eines Königs. Eine der

Weitere Kostenlose Bücher