Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
Gültigkeit hat. Aung San Suu Kyi hat keine ausführlicheren politischen Texte verfasst; die lange Zeit im Hausarrest hat sie außerdem daran gehindert, eine konkretere und umfassendere Beschreibung ihres politischen Programms abzugeben. Doch durch die Hervorhebung der Berührungspunkte zwischen Demokratie und Buddhismus leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Debatte über die Legitimität von Demokratie.
Die Zeit im Hausarrest hatte Aung San Suu Kyis Popularität nicht geschadet. Vielmehr war es während der Isolation zu einer Art Mythenbildung um ihre Person gekommen, und als sie freigelassen wurde, war das Interesse, ihr zuzuhören, größer als je zuvor. In den ersten Tagen nach ihrer Freilassung im Sommer 1995 versammelten sich Tausende von Menschen vor ihrem Haus. Am Ende waren es so viele Menschen, dass sie zusammen mit ihren Mitarbeitern einen Tisch an der Gartenpforte zum Grundstück aufstellen musste. Sie trug eine grüne Bluse und einen graublauen Longyi und bestieg mit einem breiten Lächeln im Gesicht die improvisierte Bühne. Einige der NLD -Aktivisten stellten sich neben sie und behielten das Publikum im Auge, während sie eine kurze Ansprache hielt.
Am folgenden Tag fanden sich noch mehr Menschen an ihrem Gartentor ein. Die NLD -Anführer wiederholten die Prozedur, was allerdings nur zur Folge hatte, dass am Tag danach die Menschenmenge noch größer war. Schließlich ging es nicht anders, als ihre Auftritte zu beschränken; von nun an hielt sie jeden Samstag um vier Uhr nachmittags eine Rede. Für viele Einwohner Ranguns wurden diese Auftritte zu einer Art Wochenendvergnügen. Ausgestattet mit Speisen und Getränken ließen sich die Menschen auf Decken nieder und warteten, bis sich Aung San Suu Kyi am Gartentor zeigte. Sie sprach exakt eine Stunde, vorzugsweise über politische Fragen, die SLORC , die Situation der NLD -Aktivisten in den Gefängnissen und die grundlegenden Prinzipien eines demokratischen Systems. Nach einer gewissen Zeit wurde auch ein Briefkasten am Gartentor befestigt. Dort konnten die Menschen ihre niedergeschriebenen Fragen einwerfen, die Suu Kyi dann während ihrer Wochenendauftritte beantwortete und kommentierte. Sie sprach in einem informellen und sorglosen Ton und scherzte fast ununterbrochen mit ihrem Publikum. Natürlich wurden diese Veranstaltungen von der Sicherheitspolizei überwacht, und Aung San Suu Kyi versäumte nie, die Menschen zur Vorsicht zu ermahnen und sie nach Hause zu schicken, wenn sie ihre Rede beendet hatte. Aufgrund ihrer Erfahrungen im Wahlkampf 1989 wusste sie, dass ihre Zuhörer immer in der Gefahr schwebten, verhaftet zu werden.
1995 konnte sich Aung San Suu Kyi einige Monate lang relativ frei bewegen, doch dieser Zustand währte nicht lange. Im Herbst 1995 verließ sie zum letzten Mal die Hauptstadt und besuchte ein Kloster in der Nähe des Berges Thamanya, ungefähr acht Autostunden von Rangun entfernt. Dort traf sie mit Hsayadaw U Vinaya zusammen, einem der meistgeachteten Mönche Burmas. Nach den Massakern ein paar Jahre zuvor hatte er sich von der Junta distanziert und sich geweigert, die Gaben und Vergünstigungen zu akzeptieren, die die Junta dem Kloster anbot. Nach den blutigen Maßnahmen gegen die Klöster im Zusammenhang mit der Wahl 1990 hatten sich die Mitglieder der Junta auf diese Weise ein besseres Karma erhofft. In dem Buch
Letters from Burma
, einer Artikelsammlung, die sie Mitte der 1990er Jahre für eine japanische Zeitung verfasste, beschreibt Suu Kyi diesen Besuch ausführlich. Unter anderem erwähnt sie die Klosterschule, in der 375 Kinder aus der Gegend, die sich weder eigene Schulbücher noch Schreibmaterial leisten konnten, von 13 Lehrern unterrichtet wurden.
Diese Reise war die vorläufig letzte. Als Suu Kyi und ein paar andere Mitglieder aus der Führungsriege der NLD kurz vor dem Jahreswechsel an einem karenischen Neujahrsfest teilnehmen wollten, erklärte die Junta, ihre Freiheit würde es keineswegs beinhalten, dass sie nach Gutdünken im Land umherreisen könne. Ein anderes Mal wollte sie in die zweitgrößte Stadt Mandalay reisen, um dort ein neues NLD -Büro zu eröffnen. Doch genau in dem Augenblick, als ihr Zug losfahren sollte, wurde ihr Waggon abgekoppelt und blieb auf dem Bahnhof zurück. Die Behörden beriefen sich auf technische Probleme.
Sobald Suu Kyi ihr Haus verließ, um Freunde oder Parteiaktivisten in Rangun zu besuchen, wurde sie von einem Fahrzeug der Sicherheitspolizei und zwei Polizeimotorrädern
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