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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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geht’s nicht«, sagte der Ionier. »Ich funktioniere die Triebwerke im Heckkranz jetzt zu Bremsraketen um.«
    »Koros III. wollte uns für den Wiedereintritt mit dem großen Düsenaggregat am Bug abbremsen und es abwerfen, bevor wir auf die Atmosphäre treffen«, sagte Mahnmut. Das Heck glühte jetzt in dunklerem Rot.
    »Ich hebe mir diese stärkeren Triebwerke für den Eintritt in die Atmosphäre auf«, sagte Orphu.
    »Warum?«
    »Du wirst schon sehen.«
    »Können sie nicht explodieren, wenn sie sich beim Wiedereintritt erhitzen?«
    »Können sie«, grunzte der Ionier.
    »Wir sind ziemlich ramponiert«, sagte Mahnmut. »Besteht nicht die Gefahr, dass wir auseinander brechen, wenn uns Stücke von der Verkleidung wegbrennen?«
    »Klar besteht die Gefahr.« Orphu zündete die Schwerionentriebwerke.
    Mahnmut wurde dreißig Sekunden lang in seine Andruckliege gepresst und dann wieder losgelassen, als der Lärm und die Vibration endeten. Er hörte das laute, dumpfe Geräusch, mit dem der Triebwerkskranz für die Fluglagesteuerung abgesprengt wurde.
    Ein Feuerball schoss an der Bugkamera vorbei, obwohl diese jetzt, wo sie mit dem Heck voran in die Atmosphäre eintraten, gegen die Flugrichtung zeigte. »Wir prallen definitiv auf die Atmosphäre«, sagte Mahnmut und merkte, dass seine Stimme nicht mehr ganz so ruhig klang wie zuvor. Er war noch nie von einer echten planetaren Atmosphäre umgeben gewesen, und der Gedanke an all die dicht gedrängten Moleküle verstärkte sein Unbehagen. »Das abgeworfene Triebwerksaggregat hat sich überhitzt und ist in Flammen aufgegangen. Ich sehe, dass das Heck zu glühen beginnt. Das Hauptaggregat am Bug auch, aber nicht so stark. Die Hitze- und Stoßwelle scheint sich ums Heck zu konzentrieren. Wow! – wir bleiben hinter einem Teil des Trümmerfelds zurück, aber vor uns verbrennt alles. Es ist, als befänden wir uns inmitten eines gewaltigen Meteoritenschauers.«
    »Gut«, sagte Orphu. »Mach weiter.«
     
    Die Überreste des ehemaligen Moravec-Raumschiffs trafen weitgehend genauso auf die verdichtete Marsatmosphäre, wie Mahnmut es Orphu beschrieben hatte – als ein Meteoritenschauer, wobei die größeren Fragmente eine Masse von mehreren metrischen Tonnen und einen Durchmesser von ein paar Dutzend Metern hatten. Hundert Feuerbälle flogen durch den hellblauen Marshimmel, und das Knattern dumpfer Überschallknalle brach die Stille der nördlichen Halbkugel. Die Feuerbälle überquerten wie ein Schwarm feuriger Vögel die Nordpolkappe und flogen, lange Plasmadampfspuren hinter sich herziehend, weiter nach Süden über das Tethys-Meer. Schaurigerweise sah es so aus, als würden die Fragmente fliegen und nicht fallen.
    Mehrere hundert Millionen Jahre lang hatte der Mars eine kaum nennenswerte Atmosphäre mit einem Luftdruck von ungefähr 8 Millibar besessen, die größtenteils aus Kohlendioxid bestand; auf der Erde dagegen betrug der Luftdruck auf Höhe des Meeresspiegels 1014 Millibar. Durch einen Prozess, den keiner der Moravecs verstand, war der Mars in weniger als einem Jahrhundert so terraformiert worden, dass ihr Luftdruck nun sehr atembare 840 Millibar betrug.
    Begleitet von einer Salve von Überschallknallen schossen die Feuerbälle in grober Formation über die Nordhalbkugel hinweg. Einige der kleineren Stücke, die groß genug waren, um den feurigen Atmosphäreneintritt zu überstehen, aber wiederum so klein, dass sie von der dichten Lufthülle abgelenkt wurden, kamen nach und nach rund achthundert Kilometer südlich des Pols herunter. Vom Weltraum aus hätte es ausgesehen, als feuerte irgendeine Gottheit eine Salve überdimensionaler Maschinengewehrkugeln – Tracergeschosse – in den nördlichen Marsozean.
    Die Dark Lady war eines dieser Tracergeschosse. Am Heck und an zwei Dritteln der Hülle verbrannte das Tarnmaterial und gesellte sich zu der Plasmaspur, die das dahinrasende U-Boot hinter sich herzog. Außenantennen und Außensensoren verbrannten. Dann begann die Hülle zu verkohlen, abzublättern und abzubröckeln.
    »Ähm …«, sagte Mahnmut auf seiner Andruckliege, »sollten wir nicht allmählich die Fallschirme öffnen?« Er kannte Koros’ Landeplan gut genug, um zu wissen, dass die Buckykarbonfaser-Fallschirme in ungefähr fünfzehntausend Meter Höhe entfaltet werden und sie sanft zur Meeresoberfläche hinuntertragen sollten. Bevor die Heckkameras weggebrannt waren, hatte Mahnmut noch einen letzten Blick vom Ozean erhascht; er war überzeugt, dass sie bereits

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