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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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zugleich den schweren Palladion-Stein tragen. In der tiefsten Stunde der Nacht kletterten der Sohn des Tydeus und ich über die Mauer – diesmal töteten wir den Wachposten mit einem wohlplatzierten Pfeil. Dann eilten wir durch die Straßen und Gassen. Kein Schmierentheater mit ausgepeitschten Sklaven in dieser Nacht; stattdessen töteten wir rasch, sicher und lautlos jeden, der sich uns in den Weg stellte, und drangen durch einen verborgenen Abwasserkanal – Helena hatte mir beschrieben, wie ich ihn finden konnte – in Priamos’ Palast ein.
    Diomedes, ein stolzer Recke wie so viele jener dickschädeligen Helden aus Argos, war wenig begeistert davon, durch einen Abwasserkanal waten zu müssen, ganz gleich, zu welchem Zweck, und sei es die Eroberung Iliums. Er murrte, schimpfte, meckerte und stöhnte und war äußerst schlecht gelaunt, als wir zu allem Übel auch noch durch ein Loch in einem der Zehn-Mann-Donnerbalken in den Aborten im Keller des Palasts hinaufklettern mussten, wo sich Priamos’ Schatzkammern befanden, umgeben von den Quartieren seiner Elitewachen.
    Wir schlichen uns heimlich, still und leise hinein, aber unser Gestank eilte uns voraus, und wir mussten die ersten zwanzig Wachen töten, denen wir in diesen Korridoren begegneten; die einundzwanzigste zeigte uns, wie man die Türen der Schatzkammern öffnete, ohne einen Alarm oder eine Falle auszulösen, und dann schnitt Diomedes dem Mann ebenfalls die Kehle durch.
    Zusätzlich zu Tonnen von Gold, Bergen kostbarer Steine, tiefen Perlenteichen, Stapeln wertvoller Stoffe, Truhen voller Diamanten und einem Großteil des übrigen Reichtums des sagenhaften Ostens befanden sich auch rund vierzig Statuen des Palladions in diesen Kammern. Sie waren in Nischen aufgestellt und glichen einander wie ein Ei dem anderen, bis auf die Größe.
    ›Helena hat gesagt, wir sollen nur die kleinste nehmen‹, erklärte ich Diomedes, und genau das tat ich; ich wickelte das Palladion in einen roten Umhang, den ich dem letzten getöteten Wachposten abgenommen hatte. Das Schicksal Iliums lag nun buchstäblich in unseren Händen. Wir mussten nur noch fliehen.
    In diesem Moment beschloss Diomedes, dass er Priamos’ Schatzkammern plündern wollte – und zwar jetzt sofort, noch in dieser Nacht. Die Verlockung all diesen Plunders war zu viel für den habgierigen, hirnlosen Kerl. Diomedes hätte unser zehnjähriges Blutopfer, unsere zehnjährige Fron für ein paar hundert Pfund Gold eingetauscht.
    Ich … brachte ihn davon ab. Ich erspare es mir, euch den Kampf zu beschreiben, den wir ausfochten, als ich das rot umhüllte Palladion auf den Fußboden legte und mein Schwert zog, um den Sohn des Tydeus und König von Argos davon abzuhalten, unsere Mission durch seine Habgier zu ruinieren. Der Kampf war rasch vorbei; ich gewann ihn durch eine List. Na schön, wenn ihr darauf besteht, erzähle ich es euch – es war kein edler Zweikampf. Keine glorreiche Aristie. Ich schlug vor, dass wir vor dem Kampf unsere stinkenden Chitons ausziehen sollten, und während der große Trottel sich entkleidete, warf ich ihm einen zehn Minen schweren Goldklumpen an den Kopf und schlug ihn damit k.o.
    Am Ende floh ich mit dem schweren Palladion in einer Armbeuge und dem noch schwereren, nackten Diomedes über der Schulter aus Priamos’ Palast.
    Da ich ihn so nicht über die Mauer tragen konnte, war ich bereit, willens und auch schon im Begriff, ihn bei dem Abwasserpfuhl am Auslass des großen Abflusskanals liegen zu lassen, der dort in den Fluss mündete, wo dieser unter Iliums Mauern hindurchführte, aber in diesem Moment kam Diomedes wieder zu sich und erklärte sich bereit, die Stadt zusammen mit mir zu verlassen. Wir verschwanden leise. Sehr leise. An diesem Tag sprach er kein Wort mehr mit mir, auch nicht in dieser Woche, nicht nach dem Fall und der Plünderung Iliums und während der Vorbereitungen zu unserer Heimfahrt.
    Und auch ich habe seit diesem Tag kein Wort mehr mit Diomedes gesprochen.
    Ich sollte hinzufügen, dass wir – kurz nachdem ich das Palladion in unser Argeierlager gebracht hatte, wo wir es gut versteckten – im sicheren Bewusstsein, dass Trojas Ende nahte, an dem gigantischen Holzpferd zu arbeiten begannen. Das Pferd diente drei Zwecken – erstens war es natürlich eine List, um mich und eine sorgfältig ausgewählte Gruppe meiner zuverlässigsten Kämpfer in die Stadt zu bringen; zweitens ein Mittel, die Trojaner dazu zu bewegen, den großen steinernen Sturz über dem

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