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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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skäischen Tor eigenhändig zu entfernen, damit sie das Weihopfer in ihre Stadt befördern konnten, denn es war prophezeit worden, dass Ilium erst nach diesen beiden Geschehnissen – dem Verlust des Palladions und der Zerstörung des skäischen Sturzes – fallen würde; und drittens und letztens bauten wir das riesige Pferd als Geschenk an Athene, um den Verlust ihres Palladions wettzumachen, denn sie war auch als Hippia, die ›Pferdegöttin‹, bekannt, weil sie den Pegasus für Bellerophontes gezähmt und aufgezäumt hatte und solche Freude daran fand, bei jeder Gelegenheit ihre eigenen Pferde zu reiten und zu bewegen.
    Und dies, meine Freunde, ist meine kurze Geschichte vom Diebstahl des Palladions und von Iliums Untergang. Ich hoffe, sie hat euch gefallen. Habt ihr irgendwelche Fragen?«
     
    Ada lenkte Harmans Aufmerksamkeit auf sich. Das war seine kurze Geschichte?, dachte sie und sah, wie ihr Geliebter den Gedanken wie eine Kusshand auffing.
    »Ja, ich habe eine Frage«, sagte Daeman.
    Odysseus nickte.
    »Warum nennst du die Stadt manchmal Troja und sonst immer Ilium?«, fragte der pummelige junge Mann.
    Odysseus schüttelte kaum merklich den Kopf, stand auf, holte seine Scheide mit dem Kurzschwert aus dem Sonie und ging in den Wald.
     

24
Ilium, Indiana und Olymp
    Zeus ist zornig. Ich habe ihn schon früher zornig gesehen, aber diesmal ist er sehr, sehr, sehr zornig.
    Der Göttervater stürmt in die zerstörte Heilkammer auf dem Olymp, lässt seinen Blick über das Trümmerfeld schweifen und starrt Aphrodites Körper an, der blass in einem Nest zappelnder grüner Würmer auf dem nassen Fußboden liegt. Dann dreht er sich um und schaut in meine Richtung, und ich bin sicher, dass er mich sieht – dass er die wie auch immer geartete Tarnvorrichtung des Hades-Helms durchschaut und mich sieht. Doch obwohl er mich mehrere Sekunden lang direkt anschaut und mit seinen eiskalten grauen Augen zwinkert, als träfe er eine Entscheidung, wendet er den Blick wieder ab, und ich, Thomas Hockenberry, ehemals Universitätsprofessor aus Indiana und neuerdings aus Helena von Trojas Bett, darf weiterleben.
    Am rechten Arm und am linken Bein habe ich mir schmerzhafte Prellungen zugezogen, aber es ist nichts gebrochen, und so fliehe ich, während Dutzende von Göttern in den Genesungsraum gestürzt kommen, in der Tarnung des Hades-Helms aus dem Gebäude und qte zum einzigen Ort, der mir einfällt – außer Helenas Schlafgemach –, wo ich mich ausruhen und erholen kann: zur Scholikerkaserne am Fuß des Olymp.
    Aus alter Gewohnheit gehe ich in meine Kabine, zu meinem kahlen Bett, behalte aber die aktivierte Kapuze des Hades-Helms auf, als ich mich darauf niederplumpsen lasse und unruhig döse. Der vergangene Tag, die Nacht und der Vormittag waren höllisch lang. Der Unsichtbare schläft.
    Ich erwache von Schreien und Donnerschlägen in der Etage unter mir. Als ich auf den Flur hinausstürze, eilt gerade der Scholiker namens Blix vorbei – er läuft beinahe in mich hinein, weil er mich ja nicht sehen kann – und erklärt einem anderen Scholiker namens Campbell atemlos: »Die Muse ist da. Sie bringt alle um!«
    Das stimmt. Ich hocke geduckt in der Ecke einer Treppe, als die Muse – unsere Muse, Melete, wie Aphrodite sie genannt hat – die wenigen überlebenden, flüchtenden Scholiker in der brennenden Kaserne niederstreckt. Aus den Händen der Göttin schießen Blitzstrahlen aus purer Energie hervor – kitschig, klischeehaft, aber schrecklich wirksam bei menschlichem Fleisch. Blix ist zum Tode verurteilt, aber mir fällt nichts ein, was ich für ihn oder die anderen tun kann.
    Nightenhelser. Der stämmige Scholiker war in den letzten Jahren mein einziger echter Freund. Keuchend laufe ich zu seinem Zimmer in der Kaserne. Der Marmor ist zernarbt, das Holz brennt, das Fensterglas ist geschmolzen, aber hier liegt kein verkohlter Leichnam wie auf den Fluren und in den Gemeinschaftsräumen. Und keiner jener verbrannten Körper war korpulent genug für den stämmigen Nightenhelser. Auf einmal ertönen letzte Schreie aus dem zweiten Stock, dann ist es still. Nur das immer lauter werdende Brausen der Flammen ist noch zu hören. Ich schaue aus einem Fenster und sehe die Muse in ihrem Streitwagen vorbeisausen; die holografischen Pferde jagen in gestrecktem Galopp dahin. Der Panik nahe, vernehmlich am Rauch würgend – wenn die Muse noch in der Kaserne wäre, würde sie mich jetzt hören –, zwinge ich mich, mir Ilium und das

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