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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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vom Himmel gefallen war – ihr würdet es als Meteoriten bezeichnen –, aber es war ein Stein, den Zeus selbst Generationen vor unserem Krieg zum Zeichen dafür geformt und gestaltet hatte, dass der Göttervater die Gründung der Stadt billigte. Diese Figur aus Metall und Stein hieß Palladion, weil sie die Gestalt von Pallas hatte … nicht – wie ich vielleicht erklären sollte – die von Pallas Athene, wie wir unsere Göttin nennen, sondern die einer Jugendfreundin Athenes, die ebenfalls Pallas hieß. Diese andere Pallas – das Wort selbst kann in unserer Sprache so betont werden, dass es entweder feminine oder maskuline Bedeutung hat, aber hier ist damit so etwas Ähnliches gemeint wie mit dem lateinischen Wort virago, das ›starke Jungfrau‹ bedeutet – war bei einem scherzhaften Zweikampf mit Athene ums Leben gekommen. Und Ilos, manchmal auch Ilus genannt, der Vater von Laomedon, der seinerseits Vater von Priamos, Tithonos, Lampos, Klytios und Hiketaon werden würde, hatte den Sternenstein eines Morgens vor seinem Zelt gefunden und als das erkannt, was er war.
    Dieses alte Palladion, lange eine heimliche Quelle von Iliums Reichtum und Macht, war drei Ellen hoch, hielt einen Speer in der rechten und Spinnrocken und Spindel in der linken Hand und war mit der Göttin des Todes und des Schicksals verbunden. Ilos und die anderen Vorfahren der gegenwärtigen Verteidiger Trojas hatten viele unterschiedlich große Kopien des Palladions anfertigen lassen, und diese falschen Statuen wurden so gewissenhaft versteckt und bewacht wie die echte, weil jeder wusste, dass Iliums Fortbestand vom Besitz des Palladions abhing. Die Götter selbst offenbarten mir dies in den letzten Wochen der Belagerung Iliums im Traum, und so erzählte ich Diomedes von meinem Plan, mich in die Stadt zu begeben und das echte Palladion ausfindig zu machen, damit wir beide dann in die Stadt zurückkehren, es stehlen und so Trojas Schicksal besiegeln konnten.
    Zuerst verkleidete ich mich mit Lumpen als Bettler und ließ mich von meinem Diener mit einer Peitsche schlagen, bis ich von Striemen entstellt war. Ihr müsst wissen, die Bürger Iliums waren bekanntermaßen zart besaitet, was die Züchtigung ihrer Diener betraf – sie verwöhnten ihre Sklaven eher, als sie zu bestrafen, und kein trojanischer Bediensteter einer guten Familie hätte mit zerrissener Kleidung und Peitschenstriemen aus dem Haus gehen dürfen –, deshalb dachte ich mir, dass die Lumpen, der Gestank und vor allem die blutigen Peitschenspuren die Bürger dazu veranlassen würden, sich bei meinem Anblick peinlich berührt abzuwenden – eine perfekte Tarnung für einen Spion, findet ihr nicht?
    Ich entschloss mich, diese Aufgabe selbst zu übernehmen, weil ich der Listigste und Geschickteste aller Achäer war, und auch, weil ich vor über zehn Jahren schon einmal in den Mauern Trojas gewesen war. Man hatte mich als Führer einer Delegation hingeschickt, die friedlich über die Herausgabe Helenas verhandeln sollte, bevor unsere schwarzen Schiffe in großer Zahl eintrafen und ein Krieg ausbrach. Diese Verhandlungen waren bekanntlich gescheitert – wir echten Argeier hatten alle gehofft, dass sie scheitern würden, weil wir streitlustig und raubgierig waren –‚ aber ich erinnerte mich noch gut an die Anlage der Stadt hinter diesen gewaltigen Mauern und Toren.
    In meinem Traum hatten die Götter – höchstwahrscheinlich Athene, weil sie unserer Sache gewogener war als alle anderen – mir offenbart, dass das Palladion und seine vielen Kopien irgendwo in Priamos’ Königspalast verborgen waren, mir aber verschwiegen, wo genau sie versteckt sein mochten, und auch, wie ich das echte Palladion von seinen vielen Nachbildungen unterscheiden konnte.
    Ich wartete bis zu den tiefsten Stunden der Nacht, in denen die Feuer auf den Brustwehren am weitesten heruntergebrannt und die menschlichen Sinne am schwächsten sind, überwand die hoch aufragenden Mauern dann mit Enterhaken und Seil, brachte dabei einen Wachposten um und versteckte seine Leiche unter dem Futter für die thrakische Kavallerie, das innerhalb der Mauern hoch aufgestapelt war. Ilium war groß – die größte Stadt der Welt –, und ich brauchte eine Weile, um durch seine Straßen und Gassen zum Palast des Priamos zu finden. Unterwegs wurde ich zweimal von bewaffneten Wächtern angerufen, aber ich grunzte nur, gab erstickte Laute von mir und gestikulierte sinnlos mit meinen blutig gepeitschten Armen, und sie hielten

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