Ilium

keine Ahnung, ob es funktionieren wird. Eigentlich müsste es fehlschlagen. Das Medaillon soll offensichtlich nur die Person transportieren, die es trägt. Aber ich behalte immer meine Kleidung an, wenn ich qte, und mehr als einmal habe ich etwas durch den Planck-Raum mitgenommen, also umgibt das für die Teleportation aufgebaute Quantenfeld vielleicht auch Dinge, mit denen mein Körper in Berührung ist oder die meine Arme umgeben.
    Ganz recht, in Dreiteufelsnamen. Es ist einen Versuch wert.
    Wir materialisieren in Dunkelheit, purzeln einen Hang hinunter und rollen auseinander. Ich schaue mich hektisch um und versuche zu erkennen, wo wir sind. Ich hatte keine Zeit, um mir einen Zielort richtig bildlich vorzustellen – ich hatte mich einfach woandershin gewünscht und uns beide per Quantenteleportation … irgendwohin gebracht.
    Wohin?
    Der Mond scheint, und in seinem schwachen Licht sehe ich, wie Nightenhelser mich erschrocken anstarrt, als könnte ich ihn jede Sekunde von neuem anspringen. Ich beachte ihn nicht weiter, sondern schaue zum Himmel hinauf – Sterne, Mondsichel, Milchstraße – und betrachte dann die Landschaft: hohe Bäume, ein grasbewachsener Hang, ein vorbeiströmender Fluss.
    Wir sind eindeutig auf der Erde – der alten Erde Iliums zumindest –‚ aber es kommt mir nicht wie der Peloponnes oder Kleinasien vor.
    »Wo sind wir?«, fragt Nightenhelser, während er sich aufrappelt und seine Kleider abklopft. »Was ist eigentlich los? Weshalb ist es Nacht?«
    Die andere Seite der alten Welt, denke ich und sage: »Ich glaube, wir sind in Indiana.«
    »Indiana?« Nightenhelser weicht noch einen Schritt weiter von mir zurück.
    »Im Indiana des Jahres eintausendzweihundert vor Christus«, sage ich. »Plus minus einem Jahrhundert.« Ich habe mir wieder den Arm und das Bein verletzt, als ich den Hügel hinuntergekullert bin.
    »Wie sind wir hierher gekommen?« Nightenhelser war immer ein sanfter Typ, ein wenig mürrisch auf seine weitschweifige, knurrige, bärenhafte Art, aber nie wirklich wütend über irgendetwas. Jetzt klingt er, als wäre er wütend.
    »Ich habe uns qtet.«
    »Wovon, zum Teufel, reden Sie, Hockenberry? Wir waren auch nicht annähernd in der Nähe des QT-Portals.«
    Ich ignoriere ihn, setze mich auf einen kleinen Felsbrocken und reibe mir den Arm. Indiana war auch in meinem anderen Leben alles andere als ein bergiges Land, aber es gab hügelige, bewaldete, felsige Gebiete in der Umgebung von Bloomington, wo Susan und ich gelebt haben. Was ich mir in meiner Panik vorgestellt habe, war wohl … nun ja, meine Heimat. Ich wünschte wirklich, das QT-Medaillon hätte uns nicht nur durch den Raum, sondern auch durch die Zeit transportiert und uns im späten zwanzigsten Jahrhundert in Indiana abgesetzt, aber etwas an der reinen Dunkelheit des Nachthimmels und dem frischen, sauberen Geruch der Luft hier sagt mir, dass es nicht so ist.
    Wer lebt hier 1200 vor Christus? Indianer. Es wäre eine Ironie, wenn uns das QT-Medaillon vor dem drohenden Tod durch – buchstäblich – die Hand unserer Muse bewahrt hätte, nur um uns in die Neue Welt zu bringen, wo wir von Indianern skalpiert werden. Vor der Ankunft des weißen Mannes haben nur die wenigsten Stämme ihre Opfer skalpiert, leiert der pedantische Teil meines Professorengehirns weiter. Obwohl ich mich erinnere, irgendwo gelesen zu haben, dass sie ihnen zum Beweis für die Tötung manchmal die Ohren abschnitten.
    Schon fühle ich mich besser. Bei einem Mörder kann man immer auf einen guten Prosastil zählen, lautet ein Sprichwort. Und ein Professor findet immer etwas Deprimierendes, wenn man ohnehin schon deprimiert ist.
    »Hockenberry?« Nightenhelser sitzt auf einem schemelgroßen Felsbrocken in der Nähe – nicht zu nahe bei mir, wie ich bemerke – und reibt sich ebenfalls Ellbogen und Knie.
    »Ich überlege, ich überlege«, sage ich mit meiner besten Jack-Benny-Stimme.
    »Wenn Sie damit fertig sind, könnten Sie mir vielleicht sagen, weshalb die Muse eben den jungen Houston umgebracht hat.«
    Das ernüchtert mich, aber ich weiß nicht recht, wie ich darauf antworten soll. »Bei den Göttern tut sich so einiges«, sage ich schließlich. »Komplotte. Intrigen. Pakte.«
    »Was Sie nicht sagen«, erwidert Nightenhelser halb ironisch, halb als Aufforderung, ihm mehr zu erzählen.
    Ich hebe beide Hände, die Handflächen nach außen. »Aphrodite wollte mich benutzen, um Athene umzubringen.«
    Nightenhelser macht große Augen. Er kann gerade