Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
verwirrt. Was wollte er ihr sagen? Dass er zu alt für sie war? Das war Unsinn.
    »Wenn ich jemals Vater werde«, fuhr Harman fort, »soll das Kind mich kennen. Ich will bei ihm sein, wenn es aufwächst … genauso wie eine Mutter.«
    Ada war so schockiert, dass es ihr die Sprache verschlug.
    Er setzte sich wieder in Bewegung, und sie folgte ihm unter die Bäume. Im Schatten war es kühler, aber die Luft war dort dicker. Der Wasserfall hinter ihnen rauschte leise. Plötzlich schaute sich Ada besorgt um.
    »Hast du etwas gehört?« Harman blieb neben ihr stehen.
    »Nein. Es ist nur … irgendetwas stimmt nicht.«
    »Keine Servitoren«, sagte Harman. »Keine Voynixe.«
    Daran lag es, erkannte Ada. Sie waren allein. In den letzten beiden Tagen war die Abwesenheit der sonst allgegenwärtigen Servitoren und Voynixe wie ein fehlendes Hintergrundgeräusch gewesen, aber jetzt, wo sie allein waren – nur sie beide –, machte sie sich deutlicher bemerkbar.
    Auf einmal fröstelte sie ohne ersichtlichen Grund. »Findest du den Rückweg zum Sonie?«
    Harman nickte. »Ich habe auf das Gelände geachtet und die Sonne beobachtet.« Er hob den Ast, den er als Spazierstock benutzte, und deutete in eine Richtung. »Die Lichtung ist gleich hinter diesem Hügel.«
    Ada lächelte, aber sie war nicht hundertprozentig überzeugt. Sie warf einen Blick auf ihren Handflächensucher; er war so leer wie immer seit ihrer Abreise aus dem antarktischen Domi. Sie war auch früher schon im Wald gewesen – für gewöhnlich auf ihrem Anwesen in Ardis –, aber nie ohne einen Servitor, der in der Nähe schwebte, um ihr den Heimweg zu zeigen, oder ohne einen Voynix als Beschützer. Diese nervöse Anspannung trat jedoch in den Hintergrund gegenüber der Unruhe, die Harmans seltsame Fragen und Äußerungen bei ihr auslösten.
    »Weshalb sprichst du über Väter?«, fragte sie.
    Er sah sie an, während sie weiter den Hügel hinabschlenderten, tiefer in den Sequoia-Wald hinein. Der Schatten war hier beinahe düster, obwohl da und dort schräge Lichtstrahlen in die kirchenartige Stille fielen. »Der Grund ist etwas, das Savi heute morgen zu mir gesagt hat. Dass ich alt genug sei, um dein Großvater zu sein. Dass meine Suche nach der Klinik – und dass ich mich mit dir eingelassen habe – eine Art Leugnung meines letzten Zwanzigers sei.«
    Adas erste Reaktion war Zorn, sofort gefolgt von einem Stich der Eifersucht. Der Zorn galt Savis dummer Bemerkung; es ging die alte Frau nichts an, mit wem Ada schlief oder wie alt ihr Partner war. Die Eifersucht entsprang der Tatsache, dass Harman an diesem Morgen bei Sonnenaufgang aus dem Bett geschlüpft und zu Savi gegangen war, um mit ihr zu reden. Ada hatte ihm einfach einen Abschiedskuss gegeben, nachdem er eine Ultraschalldusche genommen und sich angezogen hatte, und eine gewisse Enttäuschung darüber verspürt, dass ihr neuer Geliebter nicht noch eine Stunde bei ihr bleiben wollte, bevor sie alle zum Frühstück aufstehen mussten, aber sie hatte seine Entscheidung respektiert und sich gedacht, dass er aus alter Gewohnheit ein Frühaufsteher war.
    Aber was war so wichtig, dass er sie in der Morgendämmerung verlassen musste, um mit Savi zu sprechen? Wollte er nicht die nächsten Tage mit Savi auf seiner blöden Suche nach einem Raumschiff verbringen? Ihr wurde klar, dass Savi tatsächlich ihren Platz bei diesem Unternehmen einnahm.
    Sie musterte Harmans Gesicht – er sah so viel jünger aus als Odysseus mit seinen schockierenden Krähenfußen und seinem grauen Haar – und stellte fest, dass er ihre abrupte Aufwallung von Zorn und Eifersucht nicht bemerkt hatte. Er war immer noch geistesabwesend und ganz offenkundig in seine eigenen Gedanken vertieft, und Ada fragte sich, ob die Aufmerksamkeit und Einfühlsamkeit, die er ihr gegenüber in der letzten Zeit an den Tag gelegt hatte und die in ihrer wundervollen Liebesnacht kulminiert waren, etwas Anomales waren, nur Bestandteil eines Vorspiels zum Sex und nicht sein übliches Verhalten. Sie glaubte es nicht, aber sie wusste es nicht genau. War die Nähe zu Harman, die sie gespürt hatte, eine Illusion? Hatte sie sich das nur eingebildet, weil sie in ihn verliebt war?
    »Weißt du, wie man die Entscheidung trifft, schwanger zu werden?«, fragte Harman, der immer noch zerstreut mit seinem Spazierstock im Boden herumstocherte.
    Ada blieb schockiert stehen. Diese Frage war … verblüffend.
    Harman blieb stehen und sah sie an, als hätte er nichts Ungewöhnliches

Weitere Kostenlose Bücher