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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Schultern, Mädchen. Das schwöre ich dir.«
    Hannah ertappte sich dabei, dass sie den alten bärtigen Mann anlächelte. Sie waren kein Liebespaar – noch nicht –, aber Hannah hatte vor, in Ardis Hall zu bleiben, während Odysseus dort zu Besuch weilte, und wer wusste schon, was geschehen würde?
    »Da seid ihr ja.« Savi kam hangabwärts auf sie zu. Sie schloss die Hand zur Faust, und das Handflächensucherfeld – oder was so ausgesehen hatte – erlosch.
    »Zeit zum Aufbruch?« Odysseus’ Frage war an Savi gerichtet, aber er sah Hannah an, als wären sie alte Verschwörer.
    »Zeit zum Aufbruch«, sagte Savi.
     

26
Zwischen Eos Chasma und
Coprates Chasma in den
östlichen
Valles Marineris
    Nun fuhren sie schon drei Wochen auf dem Fluss – oder vielmehr dem Binnenmeer – der Valles Marineris nach Westen, und Mahnmut war kurz davor, seinen Moravec-Verstand zu verlieren.
    Ihre mit vierzig kleinen grünen Männchen bemannte Feluke war nur eines von vielen Schiffen, die in dem gefluteten Grabenbruch nach Osten oder Westen oder in dem Meeresarm, der ins Chryse-Planitia-Meer des nördlichen Tethys-Ozeans mündete, nach Norden oder Süden fuhren. Zusätzlich zu einem Dutzend anderen mit KGMs bemannten Feluken hatten sie täglich mindestens dreihundert Meter lange Lastkähne passiert, die jeweils vier riesige, unbehauene Kopfsteine transportierten und vom Klippensteinbruch an der Südseite von Noctis Labyrinthus am westlichen Ende der Valles Marineris, noch rund 2800 Kilometer vor Mahnmuts westwärts fahrender Feluke, nach Osten fuhren.
    Orphu von Io war an Bord gerollt und auf dem unteren Mitteldeck festgebunden worden; eine über ihm angebrachte Persenning verbarg ihn vor Blicken aus der Luft. Außer ihm waren dort auch die wichtigen Frachtstücke und weitere Dinge untergebracht, die aus der Dark Lady geborgen worden waren. Schon der Gedanke an sein U-Boot, das sie in der flachen Meereshöhle an der Küste von Chryse Planitia rund 1500 Kilometer hinter ihnen zurückgelassen hatten, deprimierte Mahnmut.
    Bis zu dieser Reise hatte er nicht gewusst, dass er fähig war, Niedergeschlagenheit zu empfinden – eine schreckliche emotionale Beklemmung und Hoffnungslosigkeit, die ihm fast jegliche Willenskraft und jedes Fünkchen Ehrgeiz zu rauben vermochte –‚ aber die gewaltsame Trennung von seinem U-Boot hatte ihm gezeigt, wie schlecht er sich fühlen konnte. Orphu – erblindet, verkrüppelt, an Bord gehievt wie nutzloser Ballast – schien guter Dinge zu sein, obwohl Mahnmut allmählich erkannte, dass sein Freund seine wahren Gefühle nur sehr selten und mit großer Vorsicht zeigte.
    Wie versprochen, war die Feluke am Tag nach ihrer Ankunft frühmorgens an der Küste eingetroffen, und während die KGMs den armen Orphu an Bord schleppten, hatte sich Mahnmut mehrmals in das geflutete U-Boot begeben und alle transportablen Energieaggregate, Solarzellen, Logdisks und Kommunikations- sowie Navigationsgeräte herausgeholt, die er tragen konnte.
    »Du bist nackt zum Wrack rausgeschwommen und hast dir die Taschen mit Keksen voll gestopft, bevor du zurückgeschwommen bist, hm?«, hatte Orphu an jenem Morgen gesagt, nachdem Mahnmut ihm von den Bergungsaktionen erzählt hatte.
    »Was?« Mahnmut fragte sich, ob der ramponierte Ionier nun doch noch den Verstand verloren hatte.
    »Kleiner Continuity-Fehler in Defoes Robinson Crusoe«, rumpelte Orphu. »Ich liebe Continuity-Fehler.«
    »Habe ich nie gelesen.« Mahnmut war nicht in der Stimmung für lockeres Geplauder. Die Dark Lady zurücklassen zu müssen, zerriss ihm schier das Herz.
    Sie sprachen im Verlauf der ersten drei Wochen ihrer Reise über seine Reaktion, weil sie an Bord der Feluke wenig anderes zu tun hatten, als sich miteinander zu unterhalten. Der Kurzstrecken-Transceiver, den Mahnmut an Orphus Kommunikationsbuchse gehängt hatte, funktionierte gut.
    »Du leidest nicht nur unter Depressionen, sondern auch unter Agoraphobie«, sagte Orphu.
    »Wieso?«
    »Du wurdest dazu konstruiert, darauf programmiert und trainiert, ein Bestandteil des U-Boots zu sein – verborgen unter dem Eis von Europa, umgeben von Dunkelheit und alles zermalmenden Tiefen –, und in deinen engen Räumen hast du dich wohl gefühlt«, sagte der Ionier. »Nicht einmal deine kurzen Ausflüge auf Europas Eisoberfläche haben dich auf diese gewaltigen Panoramen, die fernen Horizonte und den blauen Himmel vorbereitet.«
    »Der Himmel ist momentan nicht blau«, war das Einzige, was Mahnmut darauf

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