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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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dem Tag des letzten Faxes.« Sie zeigte auf die Halbkuppel aus schwarzem Metall hinter der Mauer.
    Auf einmal ertönte ein so tiefes Grollen, dass Daemans Knochen und Zähne klapperten. Er und Harman traten erschrocken einen Schritt zurück. Die Luft füllte sich mit Ozon und so starker statischer Elektrizität, dass Daeman buchstäblich die Haare zu Berge standen und in wellenartige Bewegung gerieten wie hohes Gras bei starkem Wind. Dann schoss mit einem explosiven Krachen, schneller und lauter als ein Blitzschlag, ein rund zwanzig Meter dicker, massiver Strahl aus reinem blauem, blendend hellem Licht aus der metallenen Halbkuppel empor, durchbohrte den Abendhimmel und verschwand pfeilgerade im Raum, wobei er den Orbitalen Ä-Ring auf seiner ewigen Kreisbahn im Osten nur knapp verfehlte.
     

29
Candor Chasma
    Acht Marstage und acht Marsnächte lang türmte der Staubsturm zehn Meter hohe Wellen auf, heulte durch die Takelage und trieb die kleine Feluke nordwärts zum Leeufer, wo die gesamte Besatzung einschließlich der beiden Moravecs den sicheren Tod finden würde.
    Die kleinen grünen Männchen an Bord waren kompetente Seeleute, aber sie stellten nachts die Arbeit ein und waren jetzt, da die Staubwolken über ihnen die Sonne verdeckten, einen großen Teil des Tages über träge. Wenn sie ihre dunklen Ecken unter Deck aufsuchten und sich in Nischen zusammenrollten, um nicht hin und her geworfen zu werden, hatte Mahnmut das Gefühl, auf einem Totenschiff zu fahren, wie in Bram Stokers Dracula, wo das Schiff bei der Ankunft nur noch von Leichen bemannt ist.
    Die Segel der Feluke bestanden nicht aus Stoff, sondern aus einem widerstandsfähigen, leichten Polymer, aber der Südostwind traktierte sie mit Sandkörnchen und Steinchen und fuhr mit solcher Heftigkeit in sie hinein, dass sie in Fetzen gerissen wurden. An Deck war es nicht mehr sicher, und während einer kurzen sonnigen Phase schnitt Mahnmut mit Hilfe von zwanzig KGMs ein Loch ins Mitteldeck und ließ Orphu auf das darunter liegende Deck hinunter, wo er aus Holz und einer Persenning einen Verschlag für den Ionier baute, in dem dieser vor den winzigen Geschossen des Windes geschützt war. Mahnmut selbst spürte, wie der fliegende Sand in seine Fugen und sein Innenleben geriet, wenn er den KGMs zu lange an Deck half; deshalb kauerte er sich auf dem Unterdeck in Orphus Nähe zusammen, wenn er konnte, und vergewisserte sich, dass sein Freund gut festgezurrt und angeschraubt war, während die Feluke vierzig Grad zu jeder Seite krängte und das nun mit dem fliegenden roten Sand vermischte Wasser wie Blut aus jedem Spalt rann. Ein Dutzend der vierzig kleinen grünen Männchen an Bord waren jede Stunde, die sie bei Bewusstsein waren, mit Handpumpen unterwegs und pumpten die Bilge und die Unterdecks aus, und Mahnmut arbeitete in den langen Nächten allein an einer Pumpe.
    Sie hatten den Wind gut ausgenutzt, bevor die Segel, die Takelage und der Treibanker beschädigt wurden, hatten schwer geschuftet und waren auf ihrem Zickzackkurs mühsam gegen den Wind gesegelt, während die Wellen über den Bug hereinbrachen, um tiefer in das zentrale Binnenmeer zu gelangen – die kilometerhohen Klippen hinter ihnen im Norden beunruhigten sie offenbar alle –, und an den ersten beiden Tagen des Sturms hatten sie mehrere hundert Kilometer zurückgelegt. Jetzt befanden sie sich irgendwo zwischen Coprates Chasma und den Inseln von Melas Chasma, und der riesige, überflutete Schluchtenkomplex von Candor Chasma lag irgendwo vor ihnen an der Steuerbordseite.
    Dann wurde der Sturm schlimmer und der Himmel dunkler, die KGMs suchten sich ein sicheres Plätzchen unter Deck, banden sich dort fest und schalteten im Halbdunkel des Sandsturms ab, und die Treibanker am Bug und am Heck – zwei komplizierte, gekrümmte Gebilde aus Polymersegeltuch an Tauen, die sich unter dem Schiff mehrere hundert Meter weit hinzogen – gaben am selben Tag nach. Mahnmut wusste von früheren Sichtungen, dass im Norden kilometerhohe Klippen waren und dass sich irgendwo die breite Öffnung zu den überfluteten Schluchten von Candor Chasma befand, aber sein GPS-Empfänger war der statischen Aufladung des Staubsturms nicht gewachsen, und es war zwei Tage her, dass er einen Stern oder die Sonne gesehen hatte. Nach allem, was er wusste, konnten die Klippen und damit ihr Untergang eine halbe Stunde entfernt sein.
    »Besteht die Gefahr, dass wir sinken könnten?«, fragte Orphu am Nachmittag des vierten Tages.
    »Die

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