Ilium
Er peitschte die Pferde mit den Zügeln in seiner anderen Hand.
Die sich schräg stellende Gondel und ihren Inhalt vierzig Meter unter und hinter ihm im Schlepptau, wendete der Streitwagen und flog nach Westen in Richtung Olympus Mons.
36
Das Mittelmeerbecken
Savi fuhr noch etwa eine Stunde lang die rote Lehmstraße entlang und steuerte den Crawler tiefer in die Felder und Falten des Mittelmeerbeckens hinein. Es war jetzt dunkel, und es regnete stark; Blitze leuchteten auf, Donner ließ die Glaskugel der Passagierkapsel vibrieren. Bei einem der hellen Blitze zeigte Daeman auf die Kreuze mit den humanoiden Gestalten. »Sind das Menschen?«
»Keine Menschen«, sagte Savi. »Calibani.«
Bevor sie es erklären konnte, sagte Daeman: »Wir müssen anhalten.«
Savi gehorchte. Sie schaltete die Scheinwerfer und die Deckenbeleuchtung aus und nahm ihre Nachtsichtbrille ab. »Was ist?« Offenbar konnte sie die Pein in Daemans Gesicht sehen.
»Ich komme um vor Hunger«, sagte er.
»Ich habe zwei Nahrungsriegel in meinem Rucksack …«
»Ich bin am Verdursten.«
»Eine Wasserflasche ist auch drin. Und wenn wir die Passagierkugel öffnen, bekommen wir frisches, kaltes Regenwasser …«
»Ich muss mal«, sagte Daeman. »Dringend.«
»Na schön«, sagte Savi. »Der Crawler verfugt über viele nette Annehmlichkeiten, aber eine Toilette hat er nicht. Wir könnten wahrscheinlich alle eine Ruhepause brauchen.« Sie drückte auf zwei virtuelle Tasten; das Kraftfeld hörte auf, den Regen vom Glas abzuhalten, und der Schlitz in der Seite der Kuppel glitt auf. Die Luft war frisch und roch nach nassen Feldern und Feldfrüchten.
»Draußen?«, sagte Daeman, ohne sein Entsetzen zu verbergen. »Im Freien?«
»Im Maisfeld«, sagte Savi. »Da ist man ungestörter.« Sie griff in ihren Rucksack, holte eine Klopapierrolle heraus und gab Daeman ein paar Blatt.
Er starrte das Papier schockiert an.
»Ich kann eine Ruhepause gebrauchen«, sagte Harman und ließ sich von ihr auch etwas von dem Klopapier geben. »Komm, Daeman. Männer rechts vom Crawler. Frauen links.« Er stieg durch den Schlitz aus und kletterte die Leiter hinunter. Daeman, der das Papier immer noch wie einen Talisman in der Hand hielt, folgte ihm. Als Letzte stieg Savi aus. Sie stieg wesentlich anmutiger herunter als Daeman.
»Ich werde auch nach rechts gehen müssen«, sagte Savi. »Vielleicht in eine andere Reihe im Mais, aber nicht allzu weit entfernt.«
»Warum?«, begann Daeman, aber dann sah er die schwarze Schusswaffe in ihrer Hand. »Oh.«
Savi steckte die Waffe in ihren Gürtel, und sie verließen die Straße, überquerten einen niedrigen Graben und ein schlammiges Stück Feld und gingen auf den hohen Mais zu. Es regnete jetzt Bindfäden.
»Wir werden patschnass«, beschwerte sich Daeman. »Ich habe keine selbst trocknenden Sachen dabei …«
Savi schaute zum Himmel hinauf, während Blitze von einer Wolke zur anderen zuckten und der Donner im weiten Becken widerhallte. »Ich habe eure Thermohäute im Rucksack. Wenn wir wieder im Crawler sind, könnt ihr die anziehen, während die anderen Sachen trocknen.«
»Hast du sonst noch was in diesem Zauberrucksack, wovon du uns erzählen willst?«, fragte Harman.
Savi schüttelte den Kopf. »Ein paar Nahrungsriegel. Flechette-Clips. Eine Taschenlampe und ein paar Karten, die ich selbst gezeichnet habe. Alle unsere Thermohäute. Eine Wasserflasche. Einen zusätzlichen Pullover, den ich immer dabeihabe. Das war’s so ziemlich.«
Obwohl Daeman es kaum erwarten konnte, in die Abgeschiedenheit des Maisfelds zu gelangen, hielt er am Rand inne und sah sich um. »Ist es hier draußen ungefährlich?«, fragte er.
Savi zuckte die Achseln. »Keine Voynixe.«
»Was ist mit diesen … wie hast du sie genannt?«
»Calibani«, sagte Savi. »Mach dir ihretwegen heute Nacht keine Sorgen.«
Er nickte und trat in die erste Maisreihe. Die Stängel überragten ihn mindestens um einen halben Meter. Regen klatschte schwer auf die breiten Blätter. Er kam wieder heraus. »Es ist reichlich dunkel da drin.«
Harman war bereits im Mais verschwunden. Savi, die in die andere Richtung ging, blieb stehen, drehte sich um, kam zurück und gab Daeman die Taschenlampe. »Mir reichen die Blitze. Ich sehe genug.«
Daeman zwängte sich acht oder zehn Reihen weit zwischen den hohen Stängeln hindurch. Er wollte so weit vom Feldrand wegkommen, dass man nichts mehr von ihm sehen konnte. Dann ging er zur Sicherheit noch acht oder neun
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