Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
dass nur ich die Werkzeuge der Götter benutzen kann.
    Laodike richtet den Taser auf meine Brust und tippt noch einmal auf den Schaft des Stabs.
    Auf einer Wanderung mit Susan in Brown County, Indiana, haben wir einmal eine Wiese auf einer Hügelkuppe überquert, als nur zehn Schritte von mir entfernt ein Blitz einschlug, mich von den Füßen riss und blendete; ein paar Minuten lang war ich halb bewusstlos. Wir machten später immer Witze darüber – wie gering die Wahrscheinlichkeit war, dass so etwas passierte –‚ aber die Erinnerung an den Schlag bewirkte stets, dass ich einen trockenen Mund bekam.
    Dieser Schlag ist schlimmer.
    Es fühlt sich an, als hätte mir jemand einen heißen Schürhaken gegen die Brust gestoßen. Ich fliege von meinem Schemel und lande benommen auf dem Steinfußboden, und ich weiß noch, dass ich mich wie ein Epileptiker in Krämpfen winde – meine Arme und Beine schlagen wild um sich –, bevor ich das Bewusstsein verliere.
     
    Als ich wieder zu mir komme – mir tut alles weh, in meinen Ohren summt es, und ich habe Kopfschmerzen –, beachten mich die vier Frauen gar nicht. Sie schauen in eine leere Ecke.
    Vier Frauen? Ich dachte, es wären fünf gewesen. Ich setze mich auf und schüttele den Kopf, versuche, meine Augen wieder scharf zu stellen. Andromache fehlt. Vielleicht ist sie Hilfe holen gegangen, hat sich auf die Suche nach einem Heiler gemacht. Vielleicht dachten die Frauen, ich wäre tot.
    Plötzlich wird Andromache flimmernd in dem leeren Raum vor den Augen der anderen sichtbar. Hektors Frau zieht sich die Kapuze des Hades-Helms von den Schultern und hält sie den anderen hin.
    »Der Helm des Todes funktioniert, genau wie es in den alten Geschichten heißt«, sagt Andromache. »Weshalb haben die Götter ihn wohl einem wie dem da geben?« Sie deutet mit einem Nicken in meine Richtung und wirft den Kapuzenhelm aus Leder und Metall auf den Tisch.
    Theano hält das QT-Medaillon hoch. »Bei diesem hier haben wir uns vergeblich bemüht«, sagt sie. »Zeig uns, wie man es macht.« Es dauert einen Augenblick, bis ich, benebelt wie ich bin, begreife, dass die Priesterin mit mir spricht.
    »Weshalb sollte ich?«, sage ich, rapple mich auf und stütze mich auf den Tisch. »Weshalb sollte ich auch nur einer von euch helfen?«
    Helena kommt um den Tisch herum und legt mir die Hand auf den Unterarm. Ich ziehe ihn weg.
    »Hock-en-bär-iihh«, schnurrt sie. »Weißt du nicht, dass die Götter dich zu uns geschickt haben?«
    »Wovon redest du?« Ich schaue mich in dem Raum um.
    »Nein, hier drin können die Götter uns nicht hören«, sagt Helena. »Die Mauern dieses Raumes sind mit Blei verkleidet. Durch massives Blei können die Götter weder sehen noch hören. Das weiß man schon seit Jahrhunderten.«
    Ich schaue mich blinzelnd um. Ach, zum Teufel. Warum nicht? Supermans Röntgenblick ging auch nicht durch Blei. Aber warum sollte es in Athenes Tempel einen göttersicheren Raum geben?
    Andromache tritt näher. »Helenas Freund, Hock-en-bär-iihh, wir – die Frauen von Troja und Helena – schmieden schon seit Jahren Pläne, diesen Krieg zu beenden. Doch die Männer – Achilles, die Argeier, unsere eigenen trojanischen Gatten und Väter – haben die Macht über uns. Sie stehen nur den Göttern Rede und Antwort. Nun haben die Götter unsere geheimsten Gebete erhört und dich als unser Werkzeug geschickt. Mit deiner Hilfe und unserem Plan werden wir den Lauf der Dinge ändern und nicht nur unsere Stadt, unser Leben und das unserer Kinder retten, sondern auch das Schicksal der Menschheit – indem wir uns von der Herrschaft grausamer und willkürlicher Gottheiten befreien.«
    Ich schüttele erneut den Kopf und lache sogar. »Ihre Logik hat nur einen kleinen Fehler, Madame. Weshalb sollten die Götter mich als euer Werkzeug schicken, wenn es euer Ziel ist, die Götter zu stürzen? Das ergibt keinen Sinn.«
    Die fünf Trojanerinnen sehen mich einen Moment lang an. Dann sagt Helena: »Es gibt mehr Götter, als deine Schulweisheit sich träumen lässt, Hock-en-bär-iihh.«
    Ich erwidere ihren Blick für eine Sekunde, dann komme ich zu dem Schluss, dass es ein Zufall sein muss. Entweder das, oder mein Gehör funktioniert nicht richtig. Mir tut immer noch die Brust weh, und meine Muskeln schmerzen von den Krämpfen, die der Taser ausgelöst hat.
    »Gebt mir die Geräte«, sage ich versuchshalber.
    Die Frauen schieben mir den Hades-Helm, den Taserstab, das Morpharmband und das QT-Medaillon hin.

Weitere Kostenlose Bücher