Ilium
haariger als Pferde«, sagte Savi. »Aber genauso ausgestorben.«
»Weshalb haben die NMs wohl Dinosaurier wieder zum Leben erweckt«, fragte Daeman mit echtem Schauder, »und nicht diese wundervollen Turiner Pferde und Hundedinger?«
»Wie gesagt«, wiederholte Savi, »vieles am Verhalten der NMs ist schwer zu verstehen.«
Sie waren kurz nach Anbruch der Dämmerung aufgewacht und den ganzen Tag auf der roten Lehmstraße nach Nordnordwesten gerumpelt, zwischen Feldern hindurch, auf denen alle Arten von Feldfrüchten wuchsen, die Daeman kannte, und viele, die er noch nie gesehen hatte. Zweimal waren sie auf seichte Flüsse gestoßen und einmal auf einen tiefen, leeren Kanal aus Permbeton, aber der Crawler hatte sie mit seinen riesigen Rädern und vielfach gegliederten Streben alle mühelos überquert.
Auf den Feldern waren Servitoren, und ihr alltäglicher Anblick beruhigte Daeman, bis ihm klar wurde, dass viele dieser Servitoren riesig waren – mehr als vier Meter hoch und halb so breit, viel größer als die Maschinen, an die er gewöhnt war –, und als sie tiefer ins Becken hineinfuhren, nahmen sowohl die Feldfrüchte als auch die Servitoren ein immer fremdartigeres Aussehen an.
Der Crawler rollte zwischen hohen grünen Mauern dahin, bei denen es sich um Zuckerrohr handelte, wie Savi erklärte – die Straße war nicht ganz breit genug für den Crawler, und grüne Stängel wurden unter den sechs Rädern zermalmt –, als Harman die graugrünen humanoiden Gestalten bemerkte, die zu beiden Seiten durch die Felder huschten. Sie bewegten sich so geschmeidig und schnell, dass sie das dicht stehende Zuckerrohr kaum berührten. Wie geisterhafte Leichen flossen sie zwischen den hohen Stängeln hindurch.
»Calibani«, sagte Savi. »Ich glaube nicht, dass sie angreifen werden.«
»Ich dachte, dafür hättest du gesorgt«, sagte Daeman. »Du weißt schon, das D-und-A-Zeug aus den Haaren, die du Harman und mir stibitzt hast.«
Savi lächelte. »Auf Vereinbarungen mit Ariel kann man sich nie hundertprozentig verlassen. Aber wenn die Calibani uns aufhalten wollten, hätten sie es vergangene Nacht wohl schon getan.«
»Wird das Kraftfeld um die Kugel sie nicht fern halten?«, fragte Daeman.
Savi zuckte die Achseln. »Calibani sind schlauer als Voynixe. Sie könnten uns überraschen.«
Daeman lief es kalt über den Rücken. Er beobachtete die Felder, erhaschte jedoch nur kurze Blicke auf die bleichen Gestalten. Der Crawler verließ den Weg durch die Zuckerrohrfelder und erklomm eine niedrige Anhöhe. Die Straße führte weiterhin zwischen ausgedehnten Feldern mit Winterweizen hindurch. Das Getreide stand vielleicht vierzig Zentimeter hoch, und ganze Felder kräuselten sich in der westlichen Brise. Die Calibani, mindestens ein Dutzend auf jeder Seite der Straße, kamen hinter ihnen aus den Zuckerrohrfeldern und liefen durch den Weizen, wobei sie einen Abstand von rund sechzig Metern wahrten. Im Freien liefen sie auf allen vieren.
»Ihr Aussehen gefällt mir nicht«, sagte Daeman.
»Calibans Aussehen würde dir wahrscheinlich noch weniger gefallen«, erwiderte Savi.
»Ich dachte, das da wären die Calibani.« Über kurz oder lang redete die alte Frau immer wieder wirres Zeug.
Savi lächelte, lenkte den Crawler über eine Reihe von sechs Rohrleitungen hinweg, die etwas von Westen nach Osten oder von Osten nach Westen beförderten. »Es heißt, die Calibani seien Klone des einen Caliban, des dritten Elements der gaiaschen Trinität neben Ariel und Prospero.«
» Es heißt«, spottete Daeman. »Bei dir ist alles Klatsch und Tratsch. Weißt du denn gar nichts aus erster Hand? Diese alten Geschichten sind doch absurd.«
»Manche, ja«, stimmte Savi ihm zu. »Und obwohl ich nun schon tausendfünfhundert Jahre oder länger lebe, heißt das nicht, dass ich die ganze Zeit da war. Deshalb muss ich Dinge aus zweiter Hand berichten, die ich gehört und gelesen habe.«
»Was meinst du damit, du warst nicht die ganze Zeit da?«, fragte Harman in sehr interessiertem Ton.
Savi lachte, aber, wie Daeman fand, ohne große Belustigung. »Ich bin nanotechnisch besser für Reparaturen ausgerüstet als ihr Eloi«, sagte sie. »Aber niemand lebt ewig. Oder vierzehnhundert Jahre lang. Oder auch nur tausend. Ich verbringe den größten Teil meiner Zeit wie Dracula, indem ich in den Langzeit-Kryokrippen an Orten wie der Golden Gate Bridge schlafe. Hin und wieder komme ich heraus, sehe nach, was sich so tut, und versuche einen Weg zu
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