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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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versuchte, die Quelle des Geflüsters zu finden.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Daeman schließlich. »Aus einem Lüftungsschacht. Durch einen Eingang, den wir noch nicht gefunden haben. Aber wenn er ins Licht kommt, bringe ich ihn um.«
    »Du kannst ihm eine Ladung Flechettes in den Leib jagen«, sagte das Prospero-Hologramm, das am Tresen bei der Steuertafel für die Genesungstanks stand, »aber das heißt nicht unbedingt, das du ihn damit tötest. Caliban – ein Teufel, ein gebor’ner Teufel! Nie bleibt Erziehung an ihm hängen. Meine Mühen, die ich als Mensch mir gab, umsonst, umsonst, umsonst!«
    Zwei Tage und Nächte, siebenundvierzigeinhalb Stunden, einhundertvierundvierzig Umdrehungen des Asteroiden von Erdlicht zu Sternenlicht hatten die beiden Männer nun das Wegfaxen aus den Genesungstanks beaufsichtigt, bis nur noch etwa ein Dutzend Körper übrig war. Sie wussten jetzt, wie sie externe Holos des Linearbeschleunigers aufrufen konnten, der auf höchst lineare Weise direkt auf sie zu beschleunigte. Inzwischen konnten sie das riesige Ding, das mit dem Wurmloch voran auf sie zukam, und den blauen Lichtschein der feuernden Triebwerke am Heck in den durchsichtigen Deckenpaneelen der Klinik mit bloßem Auge sehen. Prospero und die virtuellen Anzeigen versicherten ihnen, dass sie bis zum Einschlag noch fast neunzig Minuten Zeit hatten, aber der Instinkt und das Auge sagten ihnen etwas anderes, sodass beide Männer aufhörten, nach oben zu schauen.
    Caliban war irgendwo in der Nähe. Daeman behielt seine Thermohaut-Maske wegen der Lichtverstärkergläser auf, ließ aber auch den Lichtkegel von Savis Taschenlampe unter dem Kannibalentisch spielen; weiße Knochen glänzten im Licht.
    Sie hatten geglaubt, der Rückweg aus dem überkuppelten Kontrollraum wäre am schlimmsten gewesen – die lange Schwimmstrecke durch den Tang und das Halbdunkel, wobei sie jede Minute mit Calibans Angriff rechneten –, doch obwohl sich zweimal etwas Grüngraues in den Schatten bewegte und Daeman zweimal Savis Schusswaffe auf das sich bewegende Etwas abgefeuert hatte, schwamm das Schattending einmal davon und purzelte beim nächsten Mal heraus, tot, mit glitzernden Flechettes in seinem grauen Fleisch. Die Leiche eines Nachmenschen im Tang. Aber jetzt, nach weiteren siebenundvierzigeinhalb schlaflosen Stunden, in denen sie nur ranziges Echsenfleisch gegessen hatten, gab es kein Schlimmstes mehr. Diese letzte Stunde war das Schlimmste. Zumindest hatten sie am Eingang zur Grotte Halt gemacht, die Eisschicht mit ihren Stiefeln und dem Kolben der Schusswaffe zerschlagen, bis sie ihre einzige Flasche mit Kügelchen scheußlichen, schaumigen, heiß begehrten Wassers nachfüllen konnten. Wenigstens das hatten sie getan. Aber jetzt war das Wasser ausgetrunken, und keiner der beiden Männer konnte seinen Posten und die Klinik verlassen, um Nachschub zu besorgen. Außerdem hatten sie ein paar Kunststoffabdeckungen der Tanks über die halb durchlässige Eingangsmembran genagelt, damit sie von deren Zerreißen gewarnt wurden, falls und wenn Caliban die Klinik auf diese Weise betrat; daher wäre es nicht ganz einfach gewesen, sie auf diesem Wege zu verlassen. Jetzt waren die Zungen beider Männer geschwollen, und sie hatten grauenhafte Kopfschmerzen vom Durst, der Müdigkeit, der schlechten Luft und der Angst.
    Die dutzend Klinik-Servitoren hatten ihnen kaum Schwierigkeiten bereitet. Diejenigen, die Geheilte wegfaxten, durften mit ihrer Arbeit weitermachen, andere hingegen, deren Tätigkeiten sie störten, wurden deaktiviert. Daeman hatte mit seiner Waffe auf einen geschossen, aber das war ein Fehler gewesen. Die Flechettes hatten Farbe und Metallsplitter von dem Servitor abplatzen lassen, ihm einen Manipulatorarm zertrümmert und ein Auge ausgerissen, ohne ihn jedoch zu zerstören. Harman löste das Problem, indem er sich in der Tankfarm ein schweres Stück Rohr suchte, es losriss – mit dem Erfolg, dass flüssiger Sauerstoff in die ohnehin schon kalte Luft strömte – und so lange auf den Servitor einschlug, bis er sich nicht mehr rührte. Die restlichen Servitoren wurden auf die gleiche Weise in den Ruhestand versetzt.
    Prospero kam, als sie die holografische Kommunikationssphäre über der Steuertafel einschalteten, und sorgte dafür, dass sie die richtigen Einstellungen für den Entleerungsprozess der Tanks vornahmen. Als Erstes schlossen sie die Zugangs-Faxknoten. Dann faxten sie die ankommenden Zwanziger sofort zu ihren irdischen Knoten

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