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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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nicht nur von goldenen Streitwagen, sondern auch von scharfkantigen schwarzen Maschinen, die teils größer, teils kleiner als die Streitwagen sind, aber alle das tödliche, unmenschliche Aussehen militärischen Designs haben. Weitere Feuerstreifen füllen die obere Atmosphäre und zischen wie Interkontinentalraketen zum Olymp herab.
    Zeus hebt beide Fäuste zum Himmel und brüllt zu den kleinen Göttergestalten tief unten hinunter. » WECKT DIE ÄGIS! «, donnert er. » AKTIVIERT DIE ÄGIS! «
    Ich würde liebend gern hier bleiben und sehen, wovon er spricht und was als Nächstes passiert, aber ich habe andere Prioritäten. Ich werfe mich kopfüber durch den mächtigen Bogen, den Zeus’ Beine bilden, rutsche auf dem Bauch über den hüpfenden Marmorboden, schnappe mir mit einer Hand das QT-Medaillon und drehe mit der anderen die Scheibe.
     

58
Äquatorialring
    Anfangs bekamen sie Hannah nicht aus dem Tank. Das schwere Stück Rohr beulte das Kunststoffglas nicht einmal ein. Daeman feuerte drei Geschosse aus Savis Schusswaffe ab, aber die Flechettes ritzten kaum die Oberfläche des Tanks, bevor sie abprallten und durch die ganze Klinik fegten, zerbrechliche Dinge zertrümmerten, in bereits stillgelegte Servitoren einschlugen und die beiden Männer nur knapp verfehlten. Schließlich gelang es Harman, auf den Tank zu klettern, und sie hebelten den komplizierten Deckel mit dem Rohr zuerst auf und rissen ihn dann ab. Harman zog seine Thermohautkapuze tiefer herunter, setzte die Osmosemaske auf und sprang in die abfließenden Flüssigkeiten, um Hannah herauszuhieven. Da die Hauptstromversorgung abgeschaltet und die Beleuchtung aus war und der Lichtschein des Tanks allmählich verblasste, arbeiteten sie nur noch im Licht der Taschenlampe.
    Als ihre junge Freundin auf dem nassen Boden der Klinik lag, nackt, nass, haarlos, mit wund und neu wirkender Haut, sah sie so verletzlich aus wie ein Vogelküken. Die gute Nachricht war, dass sie atmete – keuchend, flach und erschreckend schnell, aber eindeutig aus eigener Kraft. Die schlechte Nachricht war, dass sie nicht aufwachen wollte.
    »Wird sie am Leben bleiben?«, fragte Daeman. Die anderen dreiundzwanzig Männer und Frauen in den Tanks waren offenkundig tot oder lagen im Sterben, und es gab keine Möglichkeit, rechtzeitig an sie heranzukommen.
    »Woher soll ich das wissen?«, keuchte Harman.
    Daeman schaute sich um. »Ohne Strom zum Heizen sinkt die Temperatur hier drin. In ein paar Minuten haben wir unter null Grad, genau wie fast in der ganzen Stadt draußen. Wir müssen etwas finden, womit wir sie zudecken können.«
    Daeman lief mit der Waffe in der Hand durch die dunkler werdende Klinik, hielt dabei jedoch kaum nach Caliban Ausschau. Er sah Menschenknochen, verwesende Fleischkeulen, reglose Servitoren, Stücke von Bechergläsern, Schläuchen und Rohren, aber keine Spur von einer Decke. Er riss eine quadratische Platte aus durchsichtigem Kunststoff von der Abdeckung, mit der sie den halb durchlässigen Eingang verschlossen hatten, und kehrte zurück.
    Hannah war noch immer bewusstlos, aber sie zitterte haltlos. Harman hatte sie in die Arme genommen und rieb ihre Haut mit bloßen Händen, aber das schien nicht zu helfen. Der Kunststoff legte sich schwerfällig um ihren schmalen, weißen Körper, aber keiner der beiden Männer glaubte, dass er die Körperwärme bewahrte.
    »Sie wird sterben, wenn wir nichts unternehmen«, sagte Daeman leise. Aus den Schatten der mittlerweile dunklen Genesungstanks kam ein schleifendes Geräusch. Daeman machte sich nicht einmal die Mühe, seine Waffe zu heben. Der Dampf, der von dem flüssigen Sauerstoff und anderen verschütteten Flüssigkeiten aufstieg, füllte die Klinik.
    »Wir werden sowieso alle bald sterben«, sagte Harman. Er zeigte auf die durchsichtigen Paneele über ihnen.
    Daeman schaute nach oben. Der weiße Stern des drei Kilometer langen Linearbeschleunigers war näher gerückt – viel näher. »Wie viel Zeit haben wir noch?«, fragte er.
    Harman schüttelte den Kopf. »Die Chronometer sind zusammen mit dem Strom und mit Prospero verschwunden.«
    »Als die Probleme anfingen, hatten wir noch ungefähr zwanzig Minuten.«
    »Ja«, sagte Harman. »Aber wie lange ist das her? Zehn Minuten? Fünfzehn? Neunzehn?«
    Daeman schaute nach oben. Die Erde war verschwunden, und nur Sterne – einschließlich des leuchtenden Gebildes, das auf sie zugerast kam – brannten kalt in den durchsichtigen Paneelen. »Die Erde war noch zu

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