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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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dass Daeman Ardis Hall besucht hatte, aber jetzt fiel ihm wieder ein, wie primitiv und unbequem die ganze Sache gewesen war. Absurd, sein Haus nicht auf einem Faxknoten zu haben.
    »Daeman Uhr?«, erkundigte sich der Servitor, obwohl er offensichtlich wusste, wen er vor sich hatte.
    Daeman grunzte und hielt ihm seine ramponierte Reisetasche hin. Der winzige Servitor schwebte näher heran, nahm das Gepäck mit seinen gepolsterten Greifern und lud es in den Segeltuchkasten der Karriole, während Daeman einstieg. »Warten wir noch auf jemanden?«
    »Sie sind der letzte Gast«, antwortete der Servitor. Er schwebte summend in seine halbkugelförmige Nische und schnalzte einen Befehl; der Voynix packte die Deichseln der Karriole und setzte sich in Bewegung, auf die untergehende Sonne zu. Seine rostigen Peds und das Rad der Karriole wirbelten auf der Schotterstraße nur sehr wenig Staub auf. Daeman ließ sich in das grüne Leder sinken, stützte beide Hände auf seinen Spazierstock und genoss die Fahrt.
    Er war nicht gekommen, um Ada zu besuchen, sondern um sie zu verführen. Das war Daemans Lieblingsbeschäftigung – junge Frauen verführen. Und Schmetterlinge sammeln. Dass Adas Erster Zwanziger noch nicht lange zurücklag und Daeman bereits auf seinen Zweiten Zwanziger zuging, war ihm gleichgültig, ebenso wie die Tatsache, dass Ada seine Cousine ersten Grades war. Inzesttabus waren schon vor langer Zeit zerbröckelt. »Genetische Drift« war Daeman kein Begriff, aber selbst wenn, hätte er darauf vertraut, dass die Klinik die Sache schon wieder in Ordnung bringen würde. Die Klinik brachte alles wieder in Ordnung.
    Daeman hatte Ardis Hill vor zehn Jahren als Adas Cousin besucht – und aus lauter Langeweile versucht, ihre Cousine Virginia zu verführen, die so attraktiv war wie ein Voynix. Damals hatte er Ada zum ersten Mal nackt gesehen. Auf der Suche nach dem Frühstückswintergarten war er einen der endlosen Korridore von Ardis Hall entlanggegangen und dabei am Zimmer des Mädchens vorbeigekommen; die Tür hatte einen Spaltbreit offen gestanden, und in einem hohen, verzogenen Spiegel war Ada zu sehen gewesen, die mit leicht gelangweilter Miene splitterfasernackt an einem Waschbecken stand und sich mit einem Schwamm wusch – Ada war vieles, aber bestimmt nicht übermäßig sauber, wie Daeman festgestellt hatte –, und ihr Spiegelbild, diese junge Frau, die gerade dem Kokon des Kindesalters entschlüpfte, hatte ihn innehalten lassen, diesen erwachsenen Mann, der zu jener Zeit nur ein wenig älter gewesen war als Ada jetzt.
    Selbst damals, als ihren Hüften, Oberschenkeln und Brüsten mit den winzigen Brustwarzen noch ein Hauch Babyspeck angehaftet hatte, war Ada ein Anblick gewesen, für den sich das Stehenbleiben lohnte. Mit ihrer blassen Haut, die immer von einem weichen, pergamentenen Weiß war, ganz gleich, wie lange sie sich im Freien aufhielt, ihren grauen Augen, himbeerroten Lippen und pechschwarzem Haar war sie der Traum eines Amateurerotikers. Zu jener Zeit war es Mode gewesen, dass Frauen sich die Achselhöhlen rasierten, aber die junge Ada hatte dem nicht mehr Beachtung geschenkt als den meisten anderen kulturellen Usancen (und Daeman hoffte aufrichtig, dass ihr erwachsenes Gegenstück es ebenso wenig tat). Eingefroren in dem hohen Spiegel damals (und jetzt aufgespießt und ausgestellt im Schaukasten von Daemans Gedächtnis) waren jener noch mädchenhafte, aber bereits sinnliche Körper, die schweren, bleichen Brüste, die sahnige Haut, die wachen Augen, all jene Blässe, die von den vier Tupfern schwarzen Haares durchsetzt war – das wellige Fragezeichen ihres Schopfes, den sie immer achtlos hochgesteckt trug, außer wenn sie spielte (wie meistens), die beiden Kommata in ihren Achselhöhlen und das perfekte, noch nicht zu einem Delta gereifte schwarze Ausrufezeichen, das zu den Schatten zwischen ihren Schenkeln führte.
    Daeman lächelte in seiner Karriole. Er hatte keine Ahnung, weshalb Ada ihn nach all den Jahren zu dieser Geburtstagsfeier eingeladen hatte – oder wessen Zwanziger sie feierten –, aber er war davon überzeugt, dass es ihm gelingen würde, die junge Frau zu verführen, bevor er wieder in seine wirkliche Welt der Partys, der ausgedehnten Besuche und der beiläufigen Affären mit weltlicheren Frauen zurückfaxte.
    Der Voynix trabte mühelos dahin und zog die Karriole hinter sich her. Nur das Zischen des Schotters unter seinen Peds und das leise Summen uralter Gyroskope in der Karosserie

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