Illuminati
sich stürzen würden. Unwillkürlich suchte er das Pantheon nach Reportern ab. Niemand zu sehen. Er atmete auf. Es war eine absurde Vorstellung. Die Logistik für ein derartiges Unternehmen wäre viel zu aufwändig.
Während Langdon seine Inspektion fortsetzte, folgte ihm der plappernde Führer wie ein nach Liebe hungernder Welpe. Erinnere mich daran, dachte Langdon, dass es nichts Schlimmeres gibt als einen Kunsthistoriker, der sich gerne reden hört.
Auf der anderen Seite des Saals war Vittoria in ihre eigene Suche vertieft. Zum ersten Mal, seit sie die Nachricht vom Tod ihres Vaters erreicht hatte, stand niemand bei ihr, und sie spürte, wie die Realität der letzten acht Stunden auf sie eindrang. Ihr Vater war ermordet worden… grausam und ohne jede Warnung. Wenigstens genauso schmerzhaft war die Erkenntnis, dass jemand die Erfindung ihres Vaters gestohlen und sie zu einem Werkzeug für Terroristen umfunktioniert hatte. Vittoria wurde von Schuldgefühlen geplagt – der Gedanke, dass es ihre Erfindung war, die es den Dieben ermöglicht hatte, die Antimaterie zu stehlen… ihr Behälter, der nun irgendwo im Vatikan stand und vor sich hin tickte… In ihren Bemühungen, ihrem Vater bei der Suche nach der reinen Wahrheit zu helfen, hatte sie sich zu einer Handlangerin des Terrors gemacht.
Eigenartigerweise war das Einzige, das Vittoria in ihrem Leben derzeit richtig erschien, die Gegenwart eines Fremden. Robert Langdon. Sie fand eine unerklärliche Zuflucht in seinen Augen… wie die Harmonie der Ozeane, die sie am Morgen hinter sich gelassen hatte. Sie war froh, dass er in ihrer Nähe war. Nicht nur, dass er sie mit Kraft und Hoffnung erfüllte, er besaß auch einen raschen Verstand und hatte diese eine Chance entdeckt, den Mörder ihres Vaters zu finden.
Vittoria atmete tief durch, als sie ihre Suche fortsetzte und sich entlang den Nischen des Pantheons bewegte. Sie wurde übermannt von dem unerwarteten Wunsch nach persönlicher Rache, der schon den ganzen Tag ihre Gedanken beherrschte. Auch wenn sie alles Leben liebte… sie wollte diesen Mörder tot sehen. Kein noch so gutes Karma würde sie an diesem Tag dazu bringen, auch die andere Wange hinzuhalten. Aufgeschreckt und fasziniert bemerkte sie, dass sich etwas in ihrem italienischen Blut regte, das sie noch nie zuvor gefühlt hatte… das Flüstern sizilianischer Vorfahren, die ihre Familien mit brutaler Selbstjustiz verteidigten. Vendetta, dachte Vittoria, und Zum ersten Mal im Leben verstand sie dieses Gefühl.
Visionen von Rache spornten sie an. Sie näherte sich dem Grab von Raphael Santi. Selbst auf einige Entfernung hin war zu erkennen, dass dieser Mann etwas Besonderes gewesen sein musste. Die Nische in der Wand, die den Sarkophag enthielt, war im Gegensatz zu den anderen durch eine Plexiglasscheibe geschützt. Durch die Scheibe hindurch war nur die Vorderseite des Sarkophags zu erkennen.
RAPHAEL SANTI, 1483-1520
Vittoria betrachtete das Grab; dann las sie die Plakette direkt daneben.
Und las sie erneut.
Und ein drittes Mal.
Einen Augenblick später rannte sie entsetzt quer durch die Halle zu Langdon. »Robert! Robert!«
62.
Langdon wurde immer noch von dem Fremdenführer verfolgt, als er sich der letzten Nische auf seiner Seite näherte. Der Cicerone redete unermüdlich auf Robert ein.
»Die schienen diese Nischen wirklich zu mögen, Signore«, sagte er und strahlte. »Wussten Sie, dass die Vorsprünge und Vertiefungen der Grund dafür sind, dass die Decke so schwerelos erscheint?«
Langdon nickte ohne hinzuhören, während er misstrauisch in die Nische spähte. Plötzlich packte ihn jemand am Ärmel. Es war Vittoria. Sie zitterte vor Aufregung und zog ihn mit sich. Nach dem Schrecken auf ihrem Gesicht zu urteilen, musste sie eine Leiche gefunden haben. Langdon spürte, wie Furcht in ihm aufstieg.
»Ah, Ihre Frau!«, rief der Fremdenführer erfreut, offensichtlich beglückt durch die Tatsache, einen weiteren Zuhörer gefunden zu haben. Er deutete auf Vittorias kurze Hosen und Wanderstiefel. »Jetzt sehe ich, dass Sie beide Amerikaner sein müssen!«
Vittorias Augen verengten sich zu Schlitzen. »Ich bin Italienerin.«
Das Lächeln auf dem Gesicht des Fremdenführers erstarb. »Ach du meine Güte.«
»Robert«, flüsterte Vittoria und wandte dem Cicerone den Rücken zu. »Galileos Diagramma! Zeigen Sie es mir, ich muss es sehen!«
»Diagramma?«, sagte der Führer und drängte sich neugierig heran. »Meine Güte, Sie
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