Illuminati
von eine r viel schlimmeren Bedrohung überschattet.
»Monsignore!« Der Vorsprung des Geistlichen wurde rasch kleiner; vor sich sah Langdon bereits das Leuchten der Öllampe. »Monsignore, Sie müssen die Antimaterie lassen, wo sie ist! Es gibt keine andere Möglichkeit!«
Langdon rief die Worte und traute seinen eigenen Ohren nicht. Nicht nur, dass er die göttliche Botschaft an Camerlengo Carlo Ventresca als Tatsache akzeptiert hatte, durch die der Geistliche erfahren hatte, wo die Antimaterie versteckt war er, Langdon, sprach sich auch für die Zerstörung des Petersdoms aus, eine der größten architektonischen Leistungen in der Geschichte der Menschheit, und mit ihr für die Zerstörung unwiederbringlicher Kunstwerke.
Aber die Menschen draußen…es ist die einzige Möglichkeit.
Es erschien ihm nun als grausame Ironie, dass der einzige Weg, die Menschen zu retten, in der Zerstörung der Kirche bestand. Wahrscheinlich empfanden die Illuminati diesen Symbolismus als amüsant.
Die Luft, die Langdon aus dem Tunnel entgegenschlug, war feucht und kühl. Irgendwo dort unten befand sich die heilige Nekropole… die Begräbnisstätte des heiligen Petrus und zahlloser anderer früher Christen. Langdon erschauerte.
Unvermittelt schien der Camerlengo stehen zu bleiben. Langdon überwand rasch die letzten Meter.
Unter sich sah er das Ende der Treppe. Ein schmiedeeisernes Gitter mit drei Schädelreliefs versperrte den weiteren Weg. Der Camerlengo stand dort und zog das Gitter auf. Langdon sprang hinzu, drückte dagegen und blockierte den Zugang. Die anderen kamen die Treppe herunter, geisterhaft weiß im Scheinwerferlicht der BBC-Kamera… insbesondere Günther Glick, der mit jedem Schritt bleicher zu werden schien.
Chartrand zog Langdon vom Gitter weg. »Lassen Sie den Monsignore durch!«
»Nein!«, rief Vittoria atemlos von oben. »Wir müssen den Vatikan verlassen, auf der Stelle! Sie dürfen die Antimaterie nicht von hier wegbringen! Wenn Sie den Behälter an die Oberfläche schaffen, wird jeder draußen auf dem Platz sterben!«
Die Stimme des Camerlengos blieb bemerkenswert ruhig. »Sie alle… wir müssen Vertrauen haben. Uns bleibt nur wenig Zeit.«
»Sie verstehen das nicht!«, rief Vittoria. »Eine Explosion an der Oberfläche wird viel verheerender ausfallen als hier unten!«
Der Camerlengo schaute sie an, und seine grünen Augen wirkten vollkommen ruhig. »Wer hat denn etwas von einer Explosion an der Oberfläche gesagt?«
Vittoria starrte ihn an. »Sie wollen ihn hier unten lassen?«
Die Selbstsicherheit des Camerlengos war hypnotisch. »Es wird keine weiteren Toten geben heute Nacht.«
»Aber Vater…«
»Bitte haben Sie Vertrauen.« Die Stimme des Camerlengos klang beschwörend. »Ich bitte Sie ja nicht, mit mir zu kommen. Sie alle können jederzeit gehen. Ich bitte lediglich darum, sich nicht in Seinen Auftrag einzumischen. Lassen Sie mich tun, was Er mir aufgetragen hat.« Der Blick des Camerlengos wurde noch intensiver. »Ich soll diese Kirche retten, und ich kann es schaffen, das schwöre ich.«
Die Stille, die seinen Worten folgte, war so eindrucksvoll wie ein gewaltiger Donnerschlag.
120.
Dreiundzwanzig Uhr einundfünfzig.
Nekropole bedeutet dem Sinn des Wortes nach Stadt der Toten.
Nichts von alledem, was Langdon über die Nekropole unter dem Petersdom gelesen hatte, hätte ihn auf den tatsächlichen Anblick vorbereiten können.
Die kolossale unterirdische Kaverne war angefüllt mit bröckelnden Mausoleen, die wie kleine Häuser am Boden einer Höhle standen. Die Luft roch muffig. Ein Gewirr schmaler Wege führte zwischen den verfallenden Grabstätten hindurch, die meisten davon gepflastert mit geborstenen Marmorplatten. Zahllose Säulen aus stehen gebliebenem Fels und Gestein stützten einen irdenen Himmel, der tief über der in ewiger Dunkelheit liegenden Nekropole hing.
Stadt der Toten, dachte Langdon einmal mehr und fühlte sich gefangen zwischen Staunen und Angst. Sie rannten tiefer hinein in die gewaltige Kaverne. Habe ich mich falsch entschieden?
Chartrand war als Erster in den Bann des Camerlengos geraten. Er hatte das Gitter aufgerissen und sein Vertrauen in den Camerlengo erklärt. Glick und Macri hatten sich auf die Bitte des Camerlengos hin bereiterklärt, mit dem Kamerascheinwerfer auszuhelfen, obwohl ihre Motive im Hinblick auf die Auszeichnungen und den Ruhm, der sie erwartete, falls sie diese Geschichte lebend überstanden, mehr als zweifelhaft waren.
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