Illusion - das Zeichen der Nacht
als unseren Gast. Du bekommst das Zimmer, das Argo bewohnt hat. Es wird dir an nichts fehlen, glaub mir.«
»Aber ich kann euch helfen«, beharrte Yadia. Er hatte Tränen in den Augen und seine Stimme klang seltsam verzweifelt. »Das könnte meine letzte Chance sein.«
»Das liegt nicht in unserer Hand.« Corvinos Gesicht ließ offensichtliche Sympathie für den Jungen erkennen. »Du hast getan, was du konntest. Wir dürfen nicht zulassen, dass du weiter mitmischst. Jetzt ist das oberste Ziel, Alex zu retten. Heru, kannst du dich um Yadia kümmern?«
Der Bogenschütze nickte unmerklich. Sein Gesicht war so ausdruckslos, als wäre es in Stein gemeißelt. Das Einzige, was es widerspiegelte, war völlige Gleichgültigkeit gegenüber dem, was um ihn herum vorging. Eine Gleichgültigkeit, die eigentlich gar nicht zu seinem Temperament passte.
Ohne zu wissen warum, versetzte der Anblick dieser eisigen Augen Jana plötzlich in Unruhe.
Kapitel 5
» S ie sitzen immer noch zusammen.« David betrat, ohne anzuklopfen, das Zimmer, das Nieve Jana gegeben hatte. Als er Spuren von Tränen auf ihren Wangen sah, blieb er verwirrt stehen.
Jana saß in einem Sessel am Fenster, die nackten Füße auf dem Bett, das Mobiltelefon in der Hand. Auf einem alten venezianischen Tisch neben ihr lag eine Pizzaschnitte, die sie nicht einmal probiert hatte. Ihre Kaffeetasse hingegen war leer.
Auf ihrem Gesicht spiegelte sich tiefe Erschöpfung. David konnte sich nicht erinnern, Jana je so deprimiert gesehen zu haben. Sie wirkte hilflos, als hätte sie zum ersten Mal in ihrem Leben keinen Trumpf mehr im Ärmel, ja nicht einmal den Hauch einer Ahnung, was sie tun sollte.
»Du solltest einen Kräutertee trinken statt so viel Kaffee«, sagte David flapsig, während er auf den Tisch zuging. »Die wievielte Tasse war das denn?«
»Was weiß ich, die dritte oder vierte. Na und? Ich muss wach bleiben.«
»Wozu denn? Wartest du auf jemanden?«
Sofort bereute er seine Frage. Das war überhaupt nicht witzig, nicht für Jana. Die Ringe um ihre Augen waren so dunkel, dass sie fast wie Schminke aussahen. Und der Schmerz, der in ihren Augen zu lesen war … David musste wegsehen, er hielt diesen Anblick gar nicht aus.
»Warst du bis jetzt bei ihnen?«, fragte Jana nach kurzem Schweigen.
David hatte sich aufs Bett fallen lassen, die Arme unter dem Kopf verschränkt und die Augen geschlossen. Auf die Frage seiner Schwester hin richtete er sich wieder auf. »Bei Nieve und Corvino«, präzisierte er. »Heru ist mit Yadia weggegangen, um ihn einzusperren, ist dann aber nicht zurückgekommen. Das hat die beiden anderen ein bisschen nervös gemacht.«
»Du hast ihnen alles erzählt?«
»Alles, was ich weiß.« David streckte den Arm nach dem Teller aus und biss ein Stück von der Pizza ab. »Jetzt diskutieren sie darüber, wie wir vorgehen sollen«, fügte er hinzu. »Corvino will so schnell wie möglich nach Vicenza. Vielleicht hat er recht. Alex’ Körper könnte noch dort sein.«
»Und was sollen wir damit anfangen, wenn wir nicht wissen, wo seine Seele ist?«
Als David die Verzweiflung in Janas Stimme hörte, bekam er einen Kloß im Hals. Plötzlich merkte er, wie kalt und zäh die Pizza war. Der Hunger war ihm vergangen. »Hör mal, Jana, jetzt übertreib nicht.« Er griff nach der Hand seiner Schwester. »Wir finden ihn schon, okay? Wir tun alles, um ihn zu finden.«
Jana strich nachdenklich über den Handschuh aus schwarzem Satin, in dem Davids kranke Hand steckte. »Ich dachte, du wärst ihm noch böse.« Sie sah ihn an. »Wegen dem, was in der heiligen Höhle passiert ist.«
David zog die Hand mit dem Handschuh zurück und sah zur Seite. »Das ist jetzt nicht so wichtig. Du bist alles, was ich habe, Jana. An deinem Glück liegt mir mehr, als du dir vorstellen kannst.«
Jana lächelte schwach. »Jetzt redest du, als wärst du mein großer Bruder.«
»Dabei bin ich das gar nicht, weiß ich doch.« Aus seinem lockeren Ton glaubte Jana, Missmut herauszuhören. »Aber du hast nun mal keine anderen Geschwister, also musst du dich mit mir begnügen.«
Jana schüttelte den Kopf, für sie war dieses absurde Thema beendet. Sie war zu müde, um geistreiche Antworten zu suchen. »Er kommt nicht zurück, David. Ich habe ihn verloren. Für immer.«
»Red keinen Blödsinn.« David versuchte, seine Schwester mit einem Lächeln aufzumuntern. »Keiner von denen blickt bei dieser Geschichte wirklich durch, Jana. Du darfst keine Sekunde auf das hören, was
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