Illusion - das Zeichen der Nacht
und sah sie lächelnd an. »Mein Zimmer ist direkt über uns. Du kannst mitkommen, wenn du willst.«
Ohne Janas Reaktion abzuwarten, ging er durch den dunklen Gang davon. Notgedrungen folgte sie ihm, nahm sich jedoch vor, ihm seine Unhöflichkeit irgendwann heimzuzahlen.
Sie stiegen ein paar ausgetretene Treppenstufen hinauf und gelangten in einen Flur, der noch schmaler war als der im Geschoss darunter, mit mehreren Holztüren auf beiden Seiten.
Yadia blieb vor der dritten Tür links stehen und drückte die Klinke nach unten. Auf dem Flurboden zeichnete sich ein helles Rechteck ab.
»Nach dir«, sagte er und ließ Jana mit einer Verbeugung den Vortritt. »Schließlich bist du eine Prinzessin.«
Jana sah ihn gereizt an und ging dann hocherhobenen Hauptes an ihm vorbei.
Der Raum war genauso eng wie Argos Zelle, hatte aber wenigstens ein ziemlich großes Fenster, das auf den Kanal hinausging. Ein ungemachtes Bett, ein Nachttisch voller Bücher und ein alter Schreibtisch mit einem Klappstuhl davor bildeten das schlichte Mobiliar. Yadia bot Jana den Stuhl an, während er sich schwer auf die durchgelegene Matratze seines Bettes fallen ließ.
»Ich würde dich ja gern zu einer Tasse Tee einladen«, sagte er mit einem Lächeln. »Aber der Zimmerservice hier lässt ziemlich zu wünschen übrig.«
»Ich bin nicht zum Teetrinken gekommen, ich will Antworten«, erwiderte sie schroff. »Wie zum Teufel hast du es angestellt, ihn zu schnappen? Er ist schwach, aber er ist immer noch ein Wächter. Und du bist nur …«
»… ein halber Varulf? Sprich’s ruhig aus. Ich bin daran gewöhnt, es ins Gesicht gesagt zu bekommen, das war schon immer so.«
»Auch als du bei deiner menschlichen Mutter gelebt hast?«
Yadia stieß ein trockenes Lachen aus. »Wer hat dir denn das erzählt?« Er sah Jana neugierig an. »Ich habe meine Mutter nie kennengelernt, ich weiß gar nicht, wer sie ist. Ich bin bei einer Ghul-Sklavin in einem der Häuser meines Vaters aufgewachsen, aber als ich volljährig wurde, wollte er mich nicht anerkennen. Ich wurde vom Klan verstoßen. Das Ganze war ziemlich hart für mich.«
»Okay. Aber jetzt hat sich das Blatt gewendet.« Jana sah ihn durchdringend an. »Jetzt bist du Glaukos’ Vertrauter.«
Yadia nickte zufrieden. »Er ist zwar nicht besonders schlau, aber immerhin erkennt er ein Talent, wenn er es vor sich hat«, sagte er. »Ich habe ihm bewiesen, was ich kann. Er war beeindruckt von mir, glaube ich.«
»Genau das habe ich gemeint«, erwiderte Jana. »Wie hast du das gemacht? Mich kannst du nicht so leicht hinters Licht führen wie Glaukos. Um mit einem Wächter fertig zu werden, braucht man nicht nur Talent, sondern auch Erfahrung und Macht. Und du hast keins von beidem, das ist offensichtlich.«
»Kann schon sein«, gab Yadia zu, ohne im Geringsten beleidigt zu sein. »Aber du übersiehst ein kleines Detail: Argo wollte gar nicht kämpfen. Er hat es mir ziemlich leicht gemacht. Ich glaube, im Grunde hat er sich sogar gewünscht, dass ich ihn schnappe. Er wusste, dass seine früheren Freunde hinter ihm her waren, und denen wollte er keinesfalls in die Hände fallen.«
Jana hob die Augenbrauen. »Aber Glaukos hat sich darauf eingelassen, ihn an Nieve und Corvino auszuliefern.«
»Stimmt. Für eine schöne Stange Geld. Warum auch nicht? Schließlich wird Argo bald sterben, dann können wir sowieso nichts mehr mit ihm anfangen.«
Jana nickte. Ihr Blick schweifte kurz zum Fenster. »Das leuchtet mir ein. Unlogisch finde ich nur, dass Argo sich lieber von einem Varulf hat fangen lassen als von Corvino und den anderen Wächtern. Schließlich betrachten sie ihn immer noch als einen ihrer Leute. Ich bin sicher, sie werden ihn nicht schlecht behandeln.«
Yadia runzelte leicht die Stirn. »Du glaubst, Argo hat Angst zu leiden? Man merkt, dass du ihn überhaupt nicht kennst.«
»Dafür scheinst du ihn ja umso besser zu kennen.« Jana sah ihren Gastgeber neugierig an. »Verbringst du viel Zeit mit ihm? Vertraut er sich dir an?«
»Die Antwort auf die erste Frage lautet Ja und die Antwort auf die zweite Nein. Aber er muss mir gar nicht erzählen, was ihm durch den Kopf geht. Mir reicht es, wenn ich ihn beobachte. Darin war ich schon immer gut.«
Jana rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl hin und her. Ihr Blick wanderte einmal mehr zum Fenster rechts von ihr, in dem ein Stück blauer Himmel zu sehen war. »Wenn du wirklich so ein guter Beobachter bist, kannst du mir bestimmt weiterhelfen. Ich wollte
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