Iloo - Die andere Welt (German Edition)
verhalten sollte, denn eine solche Situation war ihm völlig fremd. Er blickte zu Schwester Vanessa herüber, die verständnislos von einem zum anderen sah.
»Inolak, Sie müssen verstehen, dass wir jetzt ein Problem haben«, sagte Dr. Tieserhoff. »Wir wissen nicht, was wirklich geschehen ist, aber es ist offensichtlich, dass während Ihres Unfalls hier auf der Erde und der vermutlich zeitgleich erfolgten Explosion in Ihrem Labor auf Iloo eine Art Seelenwanderung stattgefunden hat. Ich will und kann nicht behaupten, dass ich irgendwelche Erfahrungen damit hätte. Es gibt Theorien, wonach es neben unserer Existenzebene noch zahlreiche weitere geben soll, die unabhängig voneinander existieren – doch es sind eben nur Theorien. Nun bekommt die Angelegenheit einen ganz anderen Stellenwert.«
»Sie meinen, dass ein Austausch unserer Seelen stattgefunden hat?«, fragte Inolak. »Dann könnte es sein, dass dieser Kornmänger jetzt in einer ähnlich verrückten Situation ist und sich nicht mehr zurechtfindet?«
»Es wäre zumindest denkbar. Ob es sich tatsächlich so abgespielt hat, können wir natürlich nicht überprüfen. Fest steht, dass Sie nun mal hier sind und sich auch hier zurechtfinden müssen. Inolak, Sie werden eine Menge zu lernen haben – und Sie sollten versuchen, die Rolle des Rainer Kornmänger weiter zu spielen, da es sonst sicher zu erheblichen Problemen mit unseren Behörden kommen wird. Fühlen Sie sich dem gewachsen?«
Inolak seufzte. Immer hatte er in seiner Gilde eine herausragende Stellung innegehabt. Hier würde er kämpfen müssen, um wieder auf die Beine zu kommen. Aber er war bereit, zu kämpfen. Er würde sich nicht unterkriegen lassen.
»Ich werde es schaffen, Dr. Tieserhoff«, sagte er. »Doch ich werde Hilfe brauchen. Man müsste mich in der ersten Zeit an die Hand nehmen und mir wirklich alles erklären. Wer könnte diese Aufgabe übernehmen?«
»Ich könnte diese Aufgabe übernehmen, solange Sie noch hier im Krankenhaus sind«, hörte sich Vanessa sagen, die von dem bisher gehörten absolut fasziniert war. »Allerdings stelle ich eine Bedingung: Sie werden mich nicht herumkommandieren wie eine Sklavin. Dann bin ich sofort weg.«
»Aber du bist doch eine Dienerin, oder etwa nicht?«
»Ich bin eine examinierte Krankenschwester, das ist etwas ganz anderes. Es ist mein Beruf, für den ich vom Krankenhaus bezahlt werde.«
»Frauen dürfen also in eurer Welt einen Beruf ausüben«, stellte Inolak fest.
»Nicht nur das, Inolak. Männer und Frauen sind in unserer Welt gleichberechtigt«, sagte Dr. Tieserhoff. »Das sollten Sie bei allem, was Sie tun oder sagen, berücksichtigen.«
»Ich werde mich bemühen«, gab Inolak zurück. Sein gesamtes Weltbild hatte soeben einen deutlichen Riss bekommen.
Dr. Tieserhoff sah auf seine Armbanduhr und meinte, dass er jetzt noch ein paar wichtige Termine hätte, später aber noch einmal vorbeischauen würde. Dann verließ er Inolak, der nun mit Vanessa allein zurückblieb. Inolak sah Vanessa an. Er versuchte, in ihrem Gesicht zu lesen, was sie dachte, doch wollte es ihm in diesem nackten Gesicht mit den großen runden Augen nicht gelingen. Auch irritierte ihn dieses Kopfhaar, das ihr bis auf den Rücken fiel. Er hoffte, dass es ihm gelingen würde, diese Menschen eines Tages zu verstehen.
»Was starren Sie mich so an?«, fragte Vanessa.
»Ich versuche, in Ihrem Gesicht zu lesen, Vanessa. Doch es will mir nicht gelingen. Ihre Rasse ist mir noch zu fremd. Sagen Sie, können wir noch einmal ganz von vorn anfangen?«
»Von vorn anfangen?«
»Ja. Von vorn. Ich bin hier ein Fremder in einem fremden Körper«, sagte Inolak. »Hier ist alles so anders und fremd. Bei mir zu Hause war ich ein anerkannter Wissenschaftler. Ich wäre sogar bald in den Rat gewählt worden. Ich besaß eine eigene Dienerin.«
»Das habe ich schon begriffen!«, fuhr Vanessa ihn an. »Sie haben deutlich durchblicken lassen, was Sie von mir – oder besser: von Frauen – halten. Ich habe mich bereit erklärt, Ihnen zu helfen, solange Sie noch hier im Krankenhaus sind, aber ich hab noch nicht vergessen, wie Sie mit mir umgesprungen sind.«
»Was wollen Sie?«, fragte Inolak, »Ich bin in einer Kultur aufgewachsen, in der es Frauen nur erlaubt ist, Dienerinnen der Männer zu sein. Frauen haben den Männern zu gehorchen. Allein, wie Sie mich ansehen ... Bei uns hätte man sie dafür gezüchtigt.«
Vanessa sah ihn einen Moment lang stumm an, dann erhob sie sich. »Ich sehe
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