Iloo - Die andere Welt (German Edition)

jetzt zu mir. Oder hängst du etwa doch noch an ihm?«
    »So einfach ist das nicht, Thorsten«, sagte Ellen. »Ich bin immerhin noch mit ihm verheiratet. Ich hab ihn zwar verlassen, weil wir uns in letzter Zeit nicht mehr viel zu sagen hatten, aber wenn ihm etwas zugestoßen ist, will ich wenigstens nach ihm sehen. Du darfst nicht vergessen, dass wir immerhin einige Jahre zusammen waren.«
    Na klar, kaum erfährst du etwas über Probleme bei deinem Ex, schon rennst du zu ihm«, sagte Thorsten sarkastisch. »Ich bin mal gespannt, wie lange Rainer noch zwischen uns steht.«
    Ellen war sprachlos. »Verdammt noch mal! Es ist ein Notfall. Ich hab jetzt keine Lust, mich mit deinen Eifersüchteleien auseinanderzusetzen.«
    »Dann geh schon zu deinem Rainer!«, rief Thorsten und schlug im Herausgehen die Zimmertür zu.
    Ellen starrte ihm noch einen Moment hinterher – dann griff sie zum Telefon und wählte die Nummer, die in dem Zeitungsartikel stand. Nach dem Gespräch war sie sicher, dass es sich bei der Person im St. Marien-Hospital tatsächlich um ihren Mann handeln musste. Sie zog sich einen Mantel über und wollte sofort sehen, ob sie helfen konnte. Sie wollte Thorsten Bescheid sagen, doch er hatte sich in seinem Arbeitszimmer eingeschlossen. Ellen war nicht in der Laune, sich jetzt mit solchen Kindereien zu befassen und verließ die Wohnung.
    Während der Fahrt mit dem Auto gingen ihr verschiedene Dinge durch den Kopf. Hatte Thorsten recht? Stand Rainer noch immer zwischen ihr und Thorsten? Sicher, sie war einige Jahre mit Rainer verheiratet – das prägt natürlich. Auf der anderen Seite hatte Rainer sich immer mehr auf seinen Beruf zurückgezogen, und sie immer weniger an seinem Leben teilhaben lassen. In dieser Phase hatte sie Thorsten kennen gelernt. Er war verständnisvoll gewesen, interessiert und eben einfach da, wenn sie jemanden zum Reden brauchte. Mehr war es anfangs auch gar nicht gewesen. Erst später, als Rainer offenbar überhaupt kein Interesse mehr an einer Aufrechterhaltung des Dialogs hatte, hatte sie sich mehr und mehr Thorsten zugewandt.
    Ellen war zwiegespalten. Auf eine Art fühlte sie sich gegenüber Rainer schuldig, weil sie ihn verlassen hatte. Auf der anderen Seite fühlte sie sich auch im Recht, weil Rainer sie in ihrer Beziehung auf ein Abstellgleis geschoben hatte. Das war nicht fair. Sie hatte auch Anspruch auf ein bisschen Glück.
    Inzwischen war sie am Krankenhaus angelangt. Sie blickte noch einmal in den Rückspiegel und atmete tief durch.
    »Na dann wollen wir mal sehen«, sagte sie und stieg aus.
    An der Anmeldung fragte sie nach Dr. Falk, mit dem sie am Telefon gesprochen hatte. Kurz danach standen sie sich gegenüber.
    »Guten Tag, Frau Kornmänger«, sagte Dr. Falk. »Ich freue mich, dass Sie gekommen sind. Mein Name ist Dr. Falk. Ich bin der behandelnde Arzt Ihres Mannes. Sie glauben gar nicht, was wir schon alles unternommen haben, Sie zu finden.«
    »Ich will ganz offen sein, Dr. Falk. Mein Mann und ich hatten uns bereits vor einiger Zeit getrennt. Wir hatten kaum noch Kontakt und ich wusste überhaupt nicht, dass er hier in Ihrem Hause ist. Was ist denn überhaupt geschehen? Wieso leidet er an einer Amnesie?«
    »Es war ein Autounfall. Er ist mit seinem Auto auf einen LKW aufgefahren, der am Stauende stand. Es ist ein Wunder, dass er überhaupt noch lebt. Er hatte einige Papiere bei sich, die es uns ermöglichten, ihn zu identifizieren. Auch war uns bekannt, dass er verheiratet ist. Jetzt, wo wir uns gegenüberstehen, weiß ich auch, dass Sie die richtige Person sind. In seiner Brieftasche befand sich ein Foto von Ihnen.«
    »Wie geht es ihm?«, fragte Ellen. »Kann ich ihn sehen? Wie kann ich überhaupt helfen?
    »Sicher können Sie gleich zu ihm. Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Er ist relativ stabil. Sie können ihm helfen, indem Sie ihm mit Ihren Erinnerungen helfen, seine Lücken aufzufüllen.«
    Dr. Falk machte eine Pause. »Ich muss Ihnen aber noch etwas erklären.«
    »Was meinen Sie?«, fragte Ellen besorgt. »Das klingt, als wenn Sie mir irgendetwas schonend beibringen müssten. Reden Sie schon.«
    »Ihr Mann wird Sie nicht als seine Frau erkennen. Sie werden für ihn eine Fremde sein.«
    »Das ist mir schon klar, wenn er unter Amnesie leidet. Ich denke, deshalb bin ich hier – um ihm zu helfen, seine Amnesie zu überwinden.«
    »Das ist das Problem. Er wird seine Amnesie nicht überwinden können. Frau Kornmänger, Ihr Mann ist nicht mehr die Person,