Im 7. Himmel (German Edition)
am Lenkrad, steigt parallel auf die Bremse und zerrt an der Handbremse. Nun drehen wir uns. Sein Puls erhöht sich, als er begreift, dass der Wagen nicht langsamer wird. Ich übernehme.
»Entspann dich!«, flüstere ich Michael ins Ohr, greife behutsam nach dem Steuer. Wir rutschen auf der glatten Fahrbahn immer weiter, ohne dass die Reifen greifen. Ich spüre den Motor und das Eis unter den Rädern.
Als normaler Mensch wäre es mir genauso gegangen wie Michael. Panisch hätte ich einfach alles ausprobiert, was mir in der Kürze der Zeit eingefallen wäre. Als Engel bin ich mir jedoch sicher, was zu tun ist. Ich löse die Handbremse, gehe von der Kupplung und steuere nun gegen. Wir fahren immer noch schnell, aber das Schlingern lässt nach. Dann trete ich auf die Bremse, höre das vertraute Ruckeln, konzentriere mich darauf, dass ich den Wagen so lange es die Abfahrt zulässt, gerade halte und warte.
Dann höre ich den Asphalt unter den Rädern! Die plötzliche Vollbremsung schleudert uns alle hart in die Gurte. Aber wir werden langsamer, rutschen über die menschenleere Straße und kommen auf einem Mittelstreifen zum Stehen. Zehn Meter Luftlinie vom Brückenpfeiler entfernt.
Puff. Die Airbags öffnen sich um uns herum und Erik zieht schmerzvoll die Luft ein. Sonst sagt keiner von uns eine ganze Weile ein Wort.
Erleichtert und doch ängstlich drehe ich mich um und bin erschrocken. Erik sieht aschfahl aus. Sein Airbag hat sich nicht geöffnet, sein Kopf muss an den vorderen Sitz gestoßen sein und er blutet leicht.
»Oh nein! Das hätte ich doch verhindern sollen!« Der Schreck und die Schuldgefühle sorgen dafür, dass mein Magen plötzlich Achterbahn fährt. Ich weiß, ich sollte mich um die beiden kümmern, stattdessen springe ich aus dem Auto und muss würgen. »Jetzt dreh nicht durch!«, fluche ich über mich selbst, als ich auf meine zittrigen Hände schauen. »Reiß dich zusammen! Noch ist hier niemand zu Hause im Warmen! Außerdem leben sie alle, nichts passiert. Du hast dein Bestes getan und sie leben ja noch!« So ganz beruhigt mich das allerdings nicht.
»Schneeengel!«, höre ich Erik plötzlich staunen und sehe ihn an. Entweder er sieht Gespenster, oder mich. Letzteres wäre mir extrem peinlich.
Schnell wische ich mir die Tränen aus den Augen und nähere mich zögerlich auf immer noch wackeligen Beinen. Irritiert merke ich, wie mir Eriks Blick folgt und er mich weiter anlächelt, schließlich sogar breit grinst.
»Erik, alles in Ordnung?« Michael sieht immer noch blass aus, hat sich aber vom ersten Schreck erholt. Er ist einmal um den Wagen gegangen und scheint verwundert, dass alles intakt ist. Nicht einmal ein Kratzer ist zu sehen. »Erik?«, ruft er wieder.
»Ich glaub, ich habe die Engel läuten gehört.«
Nein, hast du nicht!, protestiere ich sofort. Das müsste ich doch wissen, oder?
»Ich habe mein ganzes Leben an mir vorbei ziehen sehen und ich habe dieses warme Licht gespürt, von dem immer alle erzählen.«
Mein Herz bleibt stehen.
»Das ist ja spannend. Und sonst geht es dir gut?«, versucht Michael cool zu bleiben.
Erik sagt nichts.
»Erik?«, ermahnt ihn Michael, tupft ihm die Stirn mit einem Taschentuch ab und platziert ein Pflaster.
»Weißt du, was ich vor allem gesehen habe? Wie ich arbeite. Wie ich von Meeting zu Meeting fliege, wie ich E-Mails schreibe und telefoniere, wie ich rechne und Präsentationen erstelle. Hat mir nicht gefallen.« Er schüttelt seinen Kopf und unterstreicht damit seinen Unwillen. »Und dann erscheint so ein komischer Mann mit Bart. Er sieht mich lange an und sagt dann ruhig: ›Keine Sorge, du stirbst nicht, Erik, ich wollte nur mal sehen, in wen sie sich verliebt hat und jetzt war die perfekte Gelegenheit dazu.‹« Erik will noch viel mehr erzählen, doch ein Blick auf Michael bringt ihn dazu, aufzuhören. »Alles in Ordnung«, sagt er schließlich und nickt. »Ehrlich.«
»Dann lass uns fahren!«
»Gute Idee.«
Finde ich auch und steige wieder hinten neben Erik ein. Er schaut mich immer noch nachdenklich und zugleich fasziniert an. Unangenehm berührt zupfe ich an meinem Kleidchen. Es ist wirklich kurz. Und falls es jemand vergessen hat: Ich besitze immer noch kein Höschen. Jetzt ist der Moment, wo mich das so richtig stört.
Zur Sicherheit prüfe ich Eriks Puls. Dann kann ich seinem ungewohnten Blick auf mich nicht länger standhalten und schaue nach draußen. Meine Finger kribbeln, denn am liebsten möchte ich ihn umarmen und sicher
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