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Im Abgrund der Ewigkeit

Im Abgrund der Ewigkeit

Titel: Im Abgrund der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roxann Hill
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zügelte meinen Fuchs. Johannes tat mir gleich.
    „Hast du das auch gehört?“, fragte er.
    Ich nickte und wir suchten den Horizont nach den Anzeichen eines Gewitters ab. Fahler hellblauer Himmel überall.
    „Wir haben uns sicher getäuscht“, sagte ich. „Da naht kein Unwetter.“
    Als wäre es eine Antwort auf meine Worte, kehrte das Rauschen zurück - diesmal deutlicher und bedrohlicher. Es ähnelte einer Meeresbrandung.
    „Was zum Teufel…“, flüsterte Johannes und starrte mit mir angestrengt in die Richtung, aus der der leichte Wind das ständig anwachsende Geräusch zu uns trug.
    Plötzlich hatte ich das Gefühl, als würde der Boden leicht vibrieren. Mein Fuchs schnaubte, warf seinen Kopf hoch und tänzelte unruhig auf der Stelle.
    Über den Hügel am Horizont schob sich eine dunkelbraune Masse. Unaufhaltsam, in irrsinnigem Tempo, wälzte sie sich uns entgegen. Ich kniff meine Augen zusammen, in dem Versuch, zu erkennen, was sich da nahezu erdrutschartig bewegte.
    Aber es handelte sich nicht um einen Erdrutsch.
    Hunderte, nein, Tausende kleiner brauner Wesen stürmten eng aneinandergepresst über den Abhang. Dazwischen rannten halb von Tieren bedeckt die Rattenmänner. Ihr Schreien und Grölen vermischte sich mit dem Gequieke der Nager und schallte wie Donner als markerschütterndes todbringendes Tosen über die Ebene.
    Mein Fuchs scheute. Ich hatte Schwierigkeiten, ihn zu zügeln und ich sah aus den Augenwinkeln, dass auch Johannes alle Hände voll zu tun hatte, sein Pferd unter Kontrolle zu halten.
    In der Mitte der Anhöhe erschien jetzt ein rotes Leuchten. Wie ein gigantischer Feuerball hüpfte es zwischen den Leibern auf und ab. Eine Figur, größer und stärker als ein normaler Mann, hetzte in den braunen Fluten in unsere Richtung. Ihr Körper brannte lichterloh, Flammen schossen unablässig aus ihr, so dass die Ratten gebührend Abstand hielten.
    Baal hielt den Schwur, den er mir auf dem Friedhof geleistet hatte: Er raste in taumelnder Wut heran. Ich spürte es regelrecht. Er konnte es nicht erwarten, Rache zu nehmen und mich zu töten.
    Wir wendeten unsere Pferde. In halsbrecherischem Tempo galoppierten sie dahin – weg von dieser allesverschlingenden Walze, die seitlich von uns über die steile Ebene glitt.
    Ich drehte mich im Sattel um, um über meine Schulter zu spähen. Die Ratten hatten den Abstand verringert, fast vermochte ich ihre gläsernen gefühllosen Augen zu erkennen. Ich beugte mich tief über den Hals meines Fuchses. Seite an Seite schoss ich mit Johannes vorwärts.
    Bald konnten wir die ersten Gebäude von Snowhill ausmachen. Im gestreckten Galopp preschten wir am Ortsschild vorbei, die breite Straße zwischen den Häusern hinunter. Die Herberge tauchte vor uns auf und versperrte unsere Flucht. Vor wenigen Stunden hatten wir in der Eile vergessen, die breite Eingangstür richtig zu schließen. Der Wind hatte sie aufgedrückt.
    Johannes zügelte sein Pferd, zwang es zum ruhigen Gang, um mit ihm die hölzerne Veranda emporzureiten. Er verschwand im Inneren des Hauses.
    „Johannes?“, rief ich ihm hinterher.
    „Schnell!“, brüllte er. „Das ist unsere einzige Chance.“
    Unsere Pferde liefen durch die Gaststube, stießen den schweren Tisch beiseite. Überlaut trommelten ihre Hufe auf dem Holzboden.
    Johannes beugte sich seitlich aus dem Sattel, packte eines der großen Schnapsfässer die aufgereiht im Durchgang zur Küche an der Wand standen, und zerrte daran. Es wippte ein paar Mal, dann fiel es krachend um. Unter dem Gewicht des Aufpralls barst das uralte Holz, die eisernen Reifen lockerten sich und der Inhalt strömte in einem einzigen großen Schwall über den Boden. Sofort breitete sich ein betäubender Alkoholgestank in der Gaststube aus.
    Unsere Pferde scheuten erneut.
    Johannes sprang aus dem Sattel und öffnete die Tür zur Küche. „Komm, hier entlang!“
    Ich ließ mich ebenfalls zu Boden gleiten, packte mein Tier am Zügel und folgte Johannes. Mein Fuchs bäumte sich auf, voller Panik, durch die schmale Öffnung gehen zu müssen. Beinahe riss er sich los. Brutal zwang ich seinen Kopf nach unten, zerrte ihn hinter mir in die Küche. Töpfe fielen scheppernd zu Boden, Geschirr zerbrach.
    Johannes passierte bereits den Hinterausgang, sein Pferd bockte und schlug aus, nur wenige Millimeter an meinem Kopf vorbei. Dann standen wir im Freien.
    Johannes reichte mir seine Zügel, ich hängte mich mit meinem gesamten Gewicht daran, um die panischen Tiere unter Kontrolle

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