Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
Landestaubstummenanstalt in Mils bei Hall. Auch erzählt es von Hans Auer, ebenfalls in diesem Haus geboren, ein Tenor, der später Mitglied der Dresdner Oper wurde. Und wenn du es ausreden lässt, das Haus, erfährst du auch noch, dass Hans Auer Sohn eines Bäckermeisters war, den der Volksmund Zuchthausbäck nannte. Warum? Das Haus, in dem du gewöhnlich einkaufst, war einmal ein Gefängnis.
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Zu Konz Speisers Zeiten befindet sich an der Stelle des Zucht- und Strafarbeitshauses noch die einstige Hof-Zimmerhütte, an sie schließt sich auf dem Gebiet der heutigen Volksschule, die du aufgezählt hast, ein großes Holzlager an. Gleich neben dem Holzlager die beiden Gerbereien, die Nagelschmiede und die türingsche Werkstatt.
Wann wurde das Zuchthaus aufgelassen?
1859, das Haus dient dann zehn Jahre lang als Quartier fürs Militär, hernach bis 1918 als k.k. Landesgendarmeriekommando für Tirol. Vermutlich flanieren die Gendarmen während der Arbeitspausen ein wenig durch den ersten Innsbrucker Stadtpark, heute Waltherpark genannt. Der Namensgeber, Walther von der Vogelweide, steht seit 1877 auf dem Sockel, erstarrt in wagnerianischer Pose, wie sie kein Minnesänger einnehmen würde, eine Figur aus den Meistersingern von Nürnberg eher. Die Erzstatue ist ein Ankauf der Stadt Innsbruck, sie wurde ursprünglich für das Bayerische Nationalmuseum in München gegossen.
Die Waltherstatue, etwas plump wirkt sie.
Wesentlich zierlicher nimmt sich da der Joachimsbrunnen aus – Die Häftlinge kommen an ihm vorbei, wenn sie sich vom Außendienst ins Zuchthaus zurückschleppen. Kein Auge haben sie für die Details, für den mit Delphinen verzierten Fuß oder das mit einem Drachenkopf ornamentierte Rohr des Brunnenauslaufs. Vielleicht schaut ein Züchtling aber unversehens die korinthische Marmorsäule hinauf, dort oben der Vorfahr Gottes, der heilige Joachim mit seiner kleinen Tochter Maria im Arm, in ihren Händen eine Weltenkugel. Er braucht die Symbolik nicht zu verstehen, es reicht, wenn ein Gedanke des Betrachters dem Blick der Maria folgt, in die Ferne gerichtet ist der.
Das heutige Parkgelände, wozu diente es vorher?
Als Floßanlegestelle. Auf die Lände, wie man auch sagte, stützte sich früher der Güter- und Personenverkehr, ähnliche Einrichtungen findet man in beinahe allen Städten. Noch um die Jahrhundertwende konnte man vereinzelt Floße auf dem Inn beobachten. Das ehemalige Zuchthaus erzählt auch von einer Zeit, in der die Stadtoberen darangehen, die Stadt zu verschönern. So langen bei der Strafarbeitshausverwaltung am 11. Mai 1810 folgende Zeilen ein:
„Mit Bedauern hat sich die unterfertigte Stelle überzeugt, daß die vor einigen Jahren auf dem Rennplatz ausgesetzten Pappelbäume wegen gänzlichen Mangels an Pflege absterben und zugrunde gehen. Die Strafarbeitshausverwaltung erhält demnach den Auftrag, einige entbehrliche Züchtlinge zu beordern, welche diese Bäume mit Gräben zu umgeben, stark zu begießen und diesen Platz überhaupt wieder herzurichten haben. Das Begießen der Bäume ist alsdann täglich fortzusetzen.“
Als das Schreiben bei der Zuchthausverwaltung eingeht, bereitet Kronprinz Ludwig von Bayern gerade seinen Umzug in die Hofburg vor. Kaum eingezogen in die neue Residenz, lässt er seinem Hofmarschall mitteilen, dass die mangelhaften Pappel- und Kastanienbäume der Rennwegallee durch neue zu ersetzen sind, und da man hier keiner Pappeln habhaft werden könne, solle man sie aus München oder Augsburg kommen lassen.
Was für ein Aufwand!
Während der Bayernherrschaft wird in Innsbruck wenig gebaut, dafür umso mehr gepflanzt und gepflastert. Die Innsbrucker danken es ihrem Ludwig, er ist bei der Bevölkerung sehr beliebt, wohl auch weil er die Straßen, auf denen Hofer und die Seinen vor kurzem noch die Freiheit gefeiert hatten, von ihrem erbärmlichen Zustand befreit. Dabei hätten die Städter eher den Insassen des Zuchthauses danken sollen – der erste unfreiwillige Verschönerungsverein Innsbrucks. Kommen die zur Landschaftspflege verdonnerten Häftlinge in ihre Behausung am Innufer zurück, erwartet sie eine Mahlzeit, vor der Gott zu danken ist für das, was er einem beschert: Montags Dampfnudeln mit Sauerkraut, dienstags Polenta mit Sauerkraut, am Mittwoch Türkenmais, Fisolensuppe, dann wieder Dampfnudeln mit Sauerkraut, am Freitag „Zugemüß“ aus Gerste, Erbsen, Fisolen, samstags siehe Dienstag, am Sonntag gibt’s Knödel.
Der Menüplan der österreichischen
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