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Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Titel: Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph W. Bauer
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Schlägen traktiert und jüdische Gräber verwüstet zu haben.
    Es gab einen jüdischen Friedhof in Innsbruck?
    Die Benützung eines eigenen Friedhofs unterhalb der Weiherburg etwas außerhalb der Stadt gehört zu den Privilegien, die der Familie May zugestanden werden. Der Friedhof existiert bis 1863, wird wiederholt zerstört und geschändet, 1880 lässt man ihn einebnen. Da gibt es bereits einen Bereich für jüdische Gräber auf dem neuen städtischen Westfriedhof. An den alten Judenfriedhof erinnert nur noch die Flurbezeichnung Judenbühel, es soll aber Bestrebungen seitens der Stadt geben, ihn wieder als Friedhof zu kennzeichnen.
    32
    Als die Giovanelli-Brüder der Stadt Mitte des 18. Jahrhunderts einen Besuch abstatteten, lebte das Handelshaus May nur noch in den Köpfen einiger Innsbrucker fort und in der Geschichte, die das Haus Seilergasse 16 erzählt:
    Im Jahr 1587 kauft Samuel May das Haus, obwohl ihm, dem Juden, der Erwerb einer Liegenschaft laut Tiroler Landesordnung an sich untersagt ist. Aufgrund seiner Stellung bei Hof kann ihm die Stadt eine Unterkunft jedoch nicht mehr länger verweigern. May beherbergt in der Folge zahlreiche fremde Juden, muss er auch, denn bei Christen Logis zu nehmen, ist Juden verwehrt. Da die Regierung daran arbeitet, jüdische Neuankömmlinge so rasch wie möglich wieder loszuwerden, darf ohne amtliche Bewilligung auch bei Samuel May kein Jude länger als drei Tage einkehren.
    Samuel May, erzählt das Haus, wird zum Hoflieferanten Ferdinands, die Geschäfte bleiben noch in überschaubarem Rahmen, doch sie laufen gut. Im Volksmund heißt das Haus Nr. 16 nun Hebräer-Haus, es wird zu klein, die Familie May wendet sich bezüglich eines Ankaufs weiterer Immobilien an die Regierung. Eingabe um Eingabe erfolgt, die Stadt lehnt sie mit großem Jammer über die Wohnungsnot christlicher Bürger immer wieder ab. Es dauert ewig und noch, bis grünes Licht zum Liegenschaftserwerb gegeben wird, die Mays warten Monate, Jahre. Bürokratie bleibt Bürokratie.
    Endlich sind alle amtlichen Hürden genommen, mehrere Häuser nennen die Nachkommen Samuel Mays nun ihr Eigen. Immobilienankauf ist zunächst nur ihnen gestattet, anderen Ansiedlungswilligen bleibt die Möglichkeit, Häuser anzumieten, deren Besitzer reiben sich die Hände. Geschäft bleibt Geschäft.
    Immer mehr Juden kommen in die Stadt, die Seilergasse wird in Judengasse umgetauft, im Hebräer-Haus wird Synagoge gehalten.
    Das Unternehmen setzt zum Höhenflug an, verfügt über zwei Geschäfte in der Stadt, zudem über Filialen in Verona und Venedig. Im Angebot stehen Gummi arabicum, Gewürze, Waffen, Schmuck und Stoffe. Hauptabnehmer sind der Fürstenhof und der tirolische Adel. Konjunkturbedingt benötigen die Innsbrucker Niederlassungen zahlreiche Angestellte, jüdische Glaubensgenossen finden Arbeit, manche von ihnen eröffnen später eigene Läden. Obwohl laut einem Gutachten, das die Regierung beim Rektor der Innsbrucker Jesuiten in Auftrag gab, streng verboten, arbeiteten auch christliche Bedienstete im Handelshaus May. Arbeit bleibt Arbeit.
    Einer der Bürgermeister jener Zeit des Aufschwungs ist Hans Jakob Schmidt. Immer wieder werden Bürger bei ihm vorstellig, der maysche Geschäftsinn erzeugt Neider. Auch ist mit Abraham May einer ans Ruder der Firma gelangt, der keine Skrupel kennt und nicht davor zurückschreckt, eigene Familienmitglieder auszubooten. Unter ihm aber erreicht das Handelshaus seinen Höhepunkt, die finanziellen Mittel sind so groß, dass sie Darlehen an den Grafen Niklas Fugger und die Grafen von Hohenems erlauben. Sonst jedoch gerät Abraham May mit beinahe jedem in Streit, ob mit seiner Stiefmutter, ob mit Kanzler Wilhelm Biener oder den Stadtoberen. Dazu gehört jahrelang Hans Jakob Schmidt. Verheiratet ist er mit Rosina Gassler, der Tochter des Paul Gassler, Schmidt wird Pächter der Eggwirtsbehausung und Zeuge von allerhand Stammtischgerede.
    Doch immer noch ist der Name May bei Hof hoch im Kurs, was andere jüdische Familien ermutigt, sich in Innsbruck anzusiedeln, es kommen die Uffheimer, die Landauer, Iseron und Dannhauser. Damit erhalten die Mays, de jure geschützt, de facto weiterhin dem Unmut der Bevölkerung ausgesetzt, eine zusätzliche Konkurrenz, der sie auf Dauer nicht gewachsen sind. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gehen die Geschäfte zurück, unglückliche Transaktionen häufen sich, der einstige Financier wird zum Schuldner. Michael May, der letzte aus der Dynastie, sieht sich einer

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