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Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Titel: Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
Autoren: Christoph W. Bauer
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Geschichte, die sich erst nach Konz Speisers Tod zuträgt und doch ganz im Atem jener Zeit, in der er lebte, verwurzelt ist. Im Jahr 1545 werden die Besitzer des Hauses, die Zellerin und ihr Mann, der Gerber Michael Zeller, vor den Stadtrat gerufen, beide angeklagt, immer wieder Täufer zu beherbergen, ja selbst mit dem Täufertum in Kontakt zu stehen. Die zwei streiten ab, mehr noch, treten den Beweis ihrer Unschuld an, die Zellerin behauptet, sie fluche, ihr Mann saufe – nicht sehr täuferwürdig, oder?
    Was geschah mit ihnen?
    Der eigene Hausknecht wird ihnen zum Verhängnis, er bezichtigt den Gerbermeister, fremden Täufern schon einige Male Nachtquartier gegeben zu haben. Dieser Beweis ist erdrückend, Zeller gesteht. Seine Frau tut es ihm gleich, beteuert jedoch, sie habe ihrem Mann nur Gehorsam geleistet. Dass sie daraufhin nach Hause geschickt wird, zeigt, wie hoch weibliche Unterwürfigkeit bei den Stadtpatriarchen im Kurs steht. Zeller hingegen wird arretiert, verhält sich nach seiner Freilassung einige Jahre lang unauffällig und flieht später zu den Hutterern nach Mähren – samt Frau.
    Die Hutterer?
    Ja, das Haus erzählt von der Bewegung der Täufer, eine Geschichte, die vermutlich in Zürich ihren Anfang nahm. Dort war einer Gruppe von Gläubigen Zwinglis Reformkurs zu wenig durchgreifend, sie spaltete sich ab, verstand sich fortan als eine Gemeinschaft der Glaubenden, wurde zum linken Flügel der Reformation. Die Geschichte führt dich aber auch auf gut 1200 Meter Seehöhe in ein Seitental des Pustertals, ins Pragsertal im Trentino, wo Jakob Hutter das Hutmacherhandwerk erlernte, um dann auf Wanderschaft zu gehen.
    Während der Walz macht Hutter Bekanntschaft mit dem Täufertum, konvertiert, zieht hernach als Prediger durchs Pustertal, um dort einige kleine Glaubensgemeinden zu gründen. Dass solcherart Gemeinden der Obrigkeit ein Dorn im Auge sind, hat Ferdinand I. schon 1527 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Der Erzherzog duldet keine verführerischen Lehren und ketzerischen Sekten in seinem Hoheitsgebiet. Zwei Jahre später wird beim Reichstag zu Speyer die Grundlage für eine großangelegte Verfolgung der Täuferbewegung geschaffen. Hier einige Auszüge aus dem Wiedertäufermandat von Speyer:
    Wer sich der Wiedertaufe unterzogen hat, ob Mann oder Frau, ist mit dem Tode zu bestrafen, ohne dass vorher noch ein geistliches Inquisitionsgericht tätig zu werden braucht. Wer sein Bekenntnis zu den Wiedertäufern widerruft und bereit ist, für seinen Irrtum zu sühnen, soll begnadigt werden, darf jedoch nicht Gelegenheit erhalten, sich durch Anweisung in ein anderes Territorium einer ständigen Aufsicht zu entziehen und eventuell rückfällig zu werden. Ferner soll die Hartnäckigkeit, auf der täuferischen Lehre zu beharren, mit dem Tode bestraft werden. Wer die Wiedertäufer anführt oder ihre Anweisungen vorantreibt, soll also auch bei Widerruf nicht begnadigt werden.
    Um einen Anführer handelt es sich bei Hutter. Er und viele heimische Täufer fliehen nach Mähren, wo sie mit Glaubensbrüdern und -schwestern aus der Pfalz, Schwaben und Schlesien zunächst in Frieden und Toleranz Gemeinden gründen dürfen. Als jedoch der mährische Landtag im Jahr 1535 alle Täufer ausweist, muss auch Hutter wieder nach Tirol zurück. Dort wird er am 30. November 1535 in Klausen verhaftet, in die bischöfliche Festung Brandzoll gebracht, neun Tage später nach Innsbruck überstellt. Alle Versuche, Hutter zum Widerruf zu bewegen, scheitern, auch die Peinliche Befragung lässt er über sich ergehen. So nennt man damals eine Verhörmethode, auch als Scharfe Frage oder Tortur wird sie bezeichnet, was schon alles sagt. Deshalb auch der Zusatz peinlich im Sinn von qualvoll, Pein als Ableitung des lateinischen Worts poena, Strafe. Doch nach Etymologie steht Hutter keineswegs der Sinn, er wird gefoltert, in gefrorenes Wasser getaucht; Branntwein schüttet man ihm auf die Wunden, die man ihm am Körper beigebracht hat, zündet sie an. Schließlich wird Hutter zum Feuertod verurteilt und nach gut zehnwöchiger Qual am 25. Februar 1536 vorm Wahrzeichen der Stadt hingerichtet. Ja, mit Querulanten wusste man schon zu verfahren, aber so viele Scheiterhaufen aufzurichten, wie es Tachinierer gab, hätte den Waldbeständen ziemlich zugesetzt.
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    1555, das Jahr, in dem Maximilians Schwiegertochter Juana la loca von Spanien stirbt, wird in England das erste Zuchthaus eröffnet. Ausgerechnet mit einer Einrichtung, die
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