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Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Titel: Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph W. Bauer
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Strafanstalten weist kaum Unterschiede auf, was anno 1769 am Speiseplan steht, erzählt das Haus in der Innstraße. Abends kommt grundsätzlich Einbrennsuppe mit Brot auf den Tisch, außer am Tag des Herrn, da werden Mittagsreste zur Knödelsuppe.
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    Vergebens waren die Zuchthäuser nicht, sie wurden mitunter zur Sehenswürdigkeit, eine Besichtigung des Amsterdamer tuchthuis durfte bei keiner Kavalierstour fehlen. Apropos Kavalierstour – es gibt da einen Bericht, entstanden zwischen 1745 und 1747, also genau in jener Zeit, als die Innsbrucker Zuchthausordnung gedruckt wurde. Es handelt sich um eine Stadtbeschreibung, die sich aus Tagebuchnotizen und gut dreißig Briefen zusammensetzt. Verfasst hat sie Giovanni Benedetto Giovanelli aus Venedig, der war mit seinem älteren Bruder auf einer Reise durch Europa, die auch nach Innsbruck führte, in eine Stadt „sehr klein, aber nichtsdestoweniger stark befestigt. Die vor den Mauern gelegenen Stadtteile, besonders jene gegen Italien zu, woselbst der Großteil des Adels wohnt, verleihen ihr einen schönen Schmuck.“ Der Italiener meint also jene Häuser, die sich in der damaligen Neustadt befanden –
    Neustadt?
    So nannte man die Maria-Theresien-Straße früher. Man betrat sie, vom Oberen Stadtplatz kommend, über die Chramgasse durch das Vorstadttor. Das war nicht die einzige Möglichkeit, aus der Altstadt zu gelangen, man konnte auch die Rumer Gasse nehmen, hernach durchs Saggen- oder Rumer Tor hinaus Richtung Kohlstatt. Oder man spazierte durch die Fleischergasse durchs Frauen- oder Pickentor . Und am Ende der Ofenlochgasse zum Unteren Stadtbad gab es ein weiteres Tor, durch das man früher Schweine, Ziegen und andere Tiere zur Tränke geführt hatte, daher auch der Name Tränkertörl.
    Was sind das nur alles für Namen!
    Als Chramgasse bezeichnete man einst einen Teil des heutigen Hauptwegs durch die Altstadt, die Herzog-Friedrich-Straße. Der Name rührt vielleicht daher, dass früher Händler hier ihre Stände hatten, Krämer eben. Was die Ofenlochgasse angeht, damit war wahrscheinlich die jetzige Badgasse gemeint, wo sich im Haus Nr. 6 jene öffentliche Backstube befand, von der wir vorhin schon gesprochen haben, im Volksmund wurde sie „Ofenloch“ genannt.
    Bitte fang nicht wieder mit der Brottaxordnung an!
    Hatte ich nicht vor, wobei: Schaust du durchs Ofenloch, weitet sich dir der Blick auf eine Zeit, in der das Brot zum Grundnahrungsmittel Europas wurde.
    Meinetwegen, blicken wir durchs Ofenloch!
    Unsere Gehirne wurden nicht verkohlt, sie wurden verschrotet, schließlich heißt es im Vaterunser nicht: Gib uns unsere tägliche Rübe. Die Geschichte, die das Ofenloch und alle Bäckereien erzählen, reicht hinab bis zum Letzten Abendmahl, dessen Nachvollzug nicht nur zum Grundpfeiler der christlichen Liturgie wurde, sondern auch unsere Essgewohnheiten maßgeblich beeinflusste. Dass sich das auf die Landwirtschaft auswirkte, ist klar, selbst in Gegenden, deren Klima es eigentlich nicht zuließ, versuchte man sich im Getreide- und Weinanbau. Brot wurde zum Grundnahrungsmittel Europas, entwertete andere Getreidespeisen und Feldfrüchte zu Beilagen, seine zentrale Bedeutung im Denken der Menschen wird noch heute im Vokabular vieler Reden laut.
    Das ist mir zu weit hergeholt, und außerdem: Man wird sich früher nicht ausschließlich von Brot und Wein ernährt haben.
    Natürlich gab es andere Nahrungsmittel. Sah man gegen Ende des 15. Jahrhunderts am Tränkertörl in den Inn hinab, waren vorbeitreibende Tierreste keine Seltenheit, denn etwas flussaufwärts, bei der Innbrücke, etwa an der Stelle, wo heute der Pavillon mit der Wetterstation steht, befand sich ab 1476 die Fleischbank, mit anderen Worten, die städtische Metzgerei. Ein günstiger Standort, konnte man doch die Fleischabfälle –
    Hör auf! Ich kann mir vorstellen, was du sagen möchtest.
    Als die Giovanelli-Brüder die Stadt besuchten, existierte aber auch schon die zusätzlich erbaute „äußere Bank“ in etwa auf Höhe der heutigen Markthalle. Und zu der gelangst du aus der Altstadt kommend mitunter heute noch am schnellsten über die Seilergasse, die einstige Fleischergasse. Die Gasse hieß auch einmal –
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    Wir sprachen doch vorhin von Ausgrenzung, nicht? Ohne die wäre das Buch vom Aufstieg Europas zur Wirtschaftsmacht nicht vollständig. Geh zum Haus in der Seilergasse 16, es erzählt eine Geschichte, wie sie europaweit unzählige Häuser wiedergeben könnten.
    Dieses Haus gehörte Samuel

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