Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
Idee gekommen, dass sie ein Thema für die Tiroler Landesordnung –
Sie ist deshalb ein Thema, weil Huren immer dann als ordentliche Bürgerinnen gelten, wenn es um Steuern geht. Schon Rudolf von Habsburg erkannte das und verbot im Jahr 1276 mit Blick auf die zu erwartenden Abgaben, die „gelüstigen Frauen“ zu beleidigen. Was nichts daran ändert, dass die Hurerei zu den verfemten Berufen gehörte. Aber da die Nachfrage das Angebot bestimmt – Das Innsbrucker Bordell soll sich seit 1348 in der Schlossergasse 7 befunden haben, also für damalige Verhältnisse an der Peripherie der Stadt. Damit lag Innsbruck ganz im Trend der Zeit, die meisten mittelalterlichen Frauenhäuser, so heißen die Bordelle damals noch, werden im 14. Jahrhundert eingerichtet. Glaubst du, dass das mit den Universitätsgründungen zusammenhängt?
Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Auch die Leidenschaft ist eine Wissenschaft, könnten sich die Studenten gedacht haben, die antiken Autoritäten unterwiesen in Körpersaftlehre, die Nutten in Anatomie. In Frankreich und Italien blüht das Bordellwesen bereits im 12. Jahrhundert, auch in Köln lassen sich Freier schon Ende des 13. Jahrhunderts im Frauenhaus blicken. Geleitet wird ein solches von einem Hurenwirt, nicht selten auch von einer Hurenwirtin.
Und zur Zeit dieser Landesverordnung gingen die Freier ungehindert aus und ein in der Schlossergasse?
Die Huren sollen dort recht unbehelligt dem Geschäft nachgegangen sein. Ob es ihnen in diesem Etablissement besser gegangen ist als den Trossweibern, die als Marketenderinnen der Kreuzfahrer bezeugt sind, ist eine andere Frage. Wanderhuren und fahrende Frauen siedeln sich von jeher an den Hauptverkehrswegen an, insofern ist Innsbruck für sie ein strategisch so günstiger Ort wie für Maximilian. Wobei der alles andere als ein Freund von Frauenhäusern ist, im Allgemeinen ist seine Stellung zu Frauen etwas –
Es sei ein Schaden und unlöbliche Sitte unter den Hofjungfrauen aufkommen, dass dieselben Jungfrauen also eine Wollust in dem Hofleben empfinden, dadurch sie die Heirat vergessen, formuliert Maximilian einmal in einem Brief. Dieser Rüffel richtet sich gegen die weiblichen Mitglieder des Innsbrucker Hofstaates unter Katharina von Sachsen, Witwe von Maximilians Vormund Sigmund des Münzreichen. Der hatte bekanntlich keine Chance ausgelassen, sich seiner Manneskraft zu vergewissern, und als Beweis dafür zahlreiche uneheliche Kinder in Kauf genommen. Indirekt rügt Maximilian in seinem Schreiben also auch das Lotterleben des Vorgängers.
Konz Speiser wird sie beide gekannt haben. Wer stand ihm näher, der Weiberheld oder der strenge Sittenwächter, der seine zweite Frau Bianca Sforza in der Hofburg versauern ließ und lieber in die Martinswand kraxeln ging? Könnten Konz Speiser und die Seinen am Stammtisch geahnt haben, dass der Kaiser gern Wasser predigte und Wein trank? War er zu besoffen, der Max, oder was machte ihm, dem begnadeten Bergfex, als der er galt, den Abstieg aus der Martinswand so schwer?
Wie dem auch sei. Beim Klerus stößt Maximilian mit seiner Antihurenpolitik auf offene Ohren, dabei sorgt gerade die Kirche für so manchen gelüstigen Großauftritt: So sollen zum Konstanzer Konzil Anfang des 15. Jahrhunderts an die 1.500 fahrende Frauen die Mühen der Anreise nicht gescheut haben. Auch Papst Innozenz III . erklärt es für eine gute Tat, eine Hure zu ehelichen, um ihr aus dem Milieu zu helfen. Ferner sind Dirnen bei den Reichstagen stets gern gesehene Gäste, in Wien werden sie, als Kaiser Sigismund die Stadt im Jahr 1435 besucht, beim Empfang gar in Samt gekleidet.
In Wien gibt es um 1395 zwei Bordelle außerhalb der Stadtmauer und eines am Tiefen Graben. Doch wie in Innsbruck blüht auch in Wien der Schnepfenstrich, das Gewerbe auf zentrumsnahen Straßen. Zwar beendet Maximilian das Treiben nicht, aber mit seiner Regentschaft brechen für die Freier härtere Zeiten an, denn per Dekret ist den unzüchtigen Weibspersonen jede Dienstleistung verboten. Diesen harten Kurs zu unterstützen, kommt die Syphilis zu Hilfe, erst die Krankheit lässt die Stadtoberen von der lohnenden steuerlichen Einnahmequelle Abstand nehmen. Auch in Innsbruck gibt es zu Beginn des 16. Jahrhunderts trotz großer Bedenken erste Bestrebungen, das Frauenhaus außerhalb der Stadtmauern anzusiedeln.
Und sie verzogen sich, die Huren?
Das schon, aber – die Ausdrücke Hure und Dirne werden im Mittelalter kaum benutzt. Man spricht meist
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