Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
von gemeinen, leichtfertigen, gelüstigen Weibern, manchmal von unendlichen Frauen; unendlich im Sinn von unmäßig überschrittenen außerehelichen Beziehungen. Wohin genau das Innsbrucker Bordell damals verlegt wird, lässt sich nicht mehr ermitteln, ein Gebiet, das man „auf dem Graben“ nennt, wird als möglicher Standort angegeben, aber auch die Silbergasse, die heute Universitätsstraße heißt.
Ein Bordell in der Nähe der Jesuiten?
Auch von Köln heißt es, dass die Dirnen unweit geistlicher Konvente wohnen, aber das ist eher die Ausnahme. In Innsbruck ist eine Übersiedlung in die Nähe der Jesuiten aber zu jener Zeit nicht möglich, da das Kolleg erst 1562 errichtet wird. Ein weiterer Beweis dafür, wie sehr der Protestantismus damals auch in Tirol im Vormarsch ist. Aus diesem Grund beruft Ferdinand I. die Jesuiten ins Land, ein Kloster um das andere gründen sie, in Wien, in Innsbruck, in der Nachbarstadt Hall, in Graz, Leoben, Linz und Klagenfurt, in Krems, Judenburg und Steyr.
Interessanter ist, wie die Bevölkerung auf die Huren reagiert.
Das finde ich auch. Vielleicht gehen die mittelalterlichen Frauen den Dirnen aus dem Weg, lehrt doch der Aberglaube, dass die „leichtvörtigen Frawen“ den Bösen Blick besitzen. Andererseits, es heißt, die Begegnung mit einer Hure könne bei Kinderlosigkeit Zeugungsfähigkeit bringen. Und in Italien bangt so mancher Arzt um seine Klientel, denn südlich der Alpen geht die Rede, schwere Leiden seien heilbar, grabe man klammheimlich Steine aus dem Hauseingang einer Hure und lege sie dem Siechen auf die Brust. Wie auch immer die mittelalterliche Bevölkerung zu den Liebesdienerinnen steht, wenn die auf die Straße treten, sind sie schon als solche erkannt. In vielen Städten werden spezielle Kleiderordnungen erlassen, in Zürich und Bern müssen die „gemeinen Weiber“ ein rote Haube tragen, in Wien ein gelbes Tuch, in Straßburg einen speziellen Mantel, in Augsburg stigmatisiert ein Schleier die Unzüchtigkeit in Person.
Bei einer derart beharrlichen Ausdauer, alles Abweichende zu markieren, muss man sich als Nichtgezeichneter abnorm vorgekommen sein.
Und Frau Türing? Ist sie gar ein bisschen neidisch auf die „Hübschlerinnen“, wie man die Huren mancherorts nennt, da sie sich herausputzen dürfen? Sie wird nie ein Frauenhaus von innen gesehen haben, die Gemahlin des Hofbaumeisters Türing, aber vielleicht weiß das Haus in der Schlossergasse 7 etwas übers Interieur eines Bordells zu erzählen, es wird sich kaum von der Ausstattung anderer Etablissements unterscheiden:
Ein beheizter Raum, in dem Mann sich die anfängliche Verklemmung aus den Gliedern trinkt, dann hitzig hinauf in die obere Etage, dort ein Lager aus Stroh, wie geschaffen, um der Kälte zu trotzen, die Räume im ersten Stock – unbeheizt. Er liegt auf ihr, denn diese Stellung ist die einzig erlaubte. Doch man muss sich ja nicht erwischen lassen und tut auch gut daran, vorsichtig zu sein, denn jede Abweichung von der missionarischen Norm kann auf dem Scheiterhaufen enden.
Merke, sagt das Haus, keinen Verkehr gibt’s an kirchlichen Feiertagen und an den Abenden davor, an Samstagen und während der ganzen Fastenzeit!
Auch in der Ehe?
Da gelten dieselben Bestimmungen, ausgeweitet noch auf die Zeit der Menstruation. Zählt man all die Tage zusammen, an denen man nicht darf, kommt man auf eine Summe von einem halben Jahr. Trittst du nur nahe genug heran an ein ehemaliges Bordell, erzählt es, wer einst zu den Kunden zählen durfte: alle – außer Klerikern, Ehemännern und Juden. Letztere erkennt jedes Frauenhaus in den österreichischen Erblanden dank Ferdinands Judenzeichenbestätigung schon von weitem. Auch bezüglich der Prostitution bleibt der Enkel Maximilians nicht untätig. Er richtet eine geheime Keuschheitskommission ein, für Wien ist ferner ein Verzeichnis „verdächtiger Örter“ bekannt.
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Aber Bordelle braucht es doch gar nicht, erzählt das Haus, in dem wir uns befinden, es gibt ja die öffentlichen Bäder und vor allem die Wirtshäuser. Eine Straße, die vom Aufschwung des Handels lebt, wird den durchreisenden Kaufmännern jeden Wunsch erfüllen wollen. Und dass es einst üblich war, in Gasthäusern anzuschaffen, dafür existieren Belege, mitunter schon aus dem frühen 15. Jahrhundert:
Et nota quod in Inspruch est habundantia hospitum et meretrices sunt in magna copia, in Innsbruck gibt es zahlreiche Gäste und Dirnen, notieren Gesandte aus dem Friaul in ihrem
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