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Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Titel: Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph W. Bauer
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Unzahl von Klagen ausgesetzt, die Gläubiger rennen ihm die Tür ein, der Bürgermeister von Innsbruck droht ihm eine Haftstrafe an. Michael May entzieht sich sowohl den Geldeintreibern als auch der Obrigkeit durch eine Übersiedlung nach Mannheim. Erinnert er dort die Innsbrucker Tage – mit Hass, mit Wehmut? Wie beschrieb er Innsbruck, etwa so?
    „In der Stadt erhebt sich die ehemalige Residenz der Erzherzoge. Dieses Gebäude ist ausgedehnt, aber nicht schön in seinem verschieden gearteten Aufbau und hat einen Saal, wo die Landtage abgehalten werden, mit guten Freskomalereien, die das Leben des Herkules darstellen. Der Regierungspalast, ebenfalls im Stadtinneren gelegen, ist ein schöner Bau. Mitten auf dem Hauptplatz steht das Gebäude der Kammer, dessen Balkon von dem berühmten ‚Goldenen Dach‘ oder, wie andere sagen, mit vergoldeten Kupferplatten bedeckt ist.“
    Das ist eine Passage aus dem Reisebericht der Italiener, eine verbale Photographie, ein paar Jahre nach dem Tod Michael Mays entstanden. Was die Bevölkerungsanzahl angeht, war Innsbruck damals ein Dorf, jeder kennt jeden. Michael May floh aus der Stadt, vielleicht über Anbruggen, durch diesen Stadtteil führte der Hauptverkehrsweg. Aber egal, auf welcher Straße er Innsbruck verließ, ob am Adrian-Schlössl vorbei oder nicht, er wird dessen Eigner gekannt haben, den Besitzer des Hauses, in dem du heute wohnst.
    33
    Adrian-Schlössl?
    Eine Quelle gibt die Freiherren von Adrian als einstige Besitzer des Hauses Innstraße 85 aus, eine andere nennt Adrian Leopold Appeller als Eigner. Da die Familie Appeller auch in Urkunden als Besitzer auftaucht, ist die zweite Quelle aufschlussreicher. Sagt dir der Name Appeller etwas?
    Nein, sollte er mir denn etwas sagen?
    Zwar prägt die Steinmetz-Dynastie Appeller das Innsbrucker Stadtbild weniger als die Türings zuvor, aber immerhin baut sie an der Stiftskirche Wilten mit, auch als Baumeister der Mariahilfkirche wird sie genannt. Bezeugt ist die Familie erstmals 1610, als Hans Appeller das Haus Nr. 18 in der Seilergasse besitzt, sozusagen Nachbar von Samuel May ist.
    Und Adrian Leopold Appeller, war er auch Baumeister?
    Nein, er machte als Maler Karriere, sein Werk wurde in Tirol sehr geschätzt. Die Bezeichnung Adrian-Schlössl geht auf ihn, das Ansehen seiner Familie und deren Reichtum zurück. Die Appeller zählen zu den bekanntesten Familien der Stadt, besitzen zahlreiche Häuser, unter anderem in der Seilergasse 4, wo sich heute ein Café befindet, manche sagen, es gibt dort den besten Cappuccino von Innsbruck.
    Wie kommst du jetzt darauf?
    Ich meinte bloß, falls du mal einen Kaffee dort trinkst, schließ kurz die Augen und betritt eine andere Zeit!
    Die der Giovanelli-Brüder?
    Wäre eine Möglichkeit. Ehe die beiden der Stadt den Rücken kehren und ihre Kavalierstour fortsetzen, lässt ihr Bericht keine Frage offen, wer in Innsbruck neben dem Landesfürsten und den Stadtoberen das Sagen hat:
    „Die an die Hofburg angrenzende Kirche der Franziskaner liegt außerhalb der Altstadt, die Patres werden als königliche Kapläne von dem Hause Österreich erhalten. Anstoßend daran haben die Jesuiten ihr Kolleg. Andere bemerkenswerte Bauten sind der Konvent und die Kirche der Serviten. Nicht weit vom Hofgarten entfernt erhebt sich das Kloster der gleichfalls durch die österreichische Frömmigkeit erhaltenen Kapuziner.“
    Bemerkenswert ist, dass das berühmteste Marienbild im katholischen Tirol ausgerechnet von einem Freund Martin Luthers stammt, von Lucas Cranach nämlich. Dieses Bild, das Maria als Frau aus dem Volk darstellt, findest du nicht nur im hiesigen Dom, sondern als Reproduktion auf zahlreichen Innsbrucker Häuserwänden. Auch am Haus des ehemaligen Zuchthausbäck?

IV
    34
    Möchtest du wieder hinaus an die Bar? Früher hätten wir uns um diese Zeit dort nicht mehr aufhalten dürfen. Laut Tiroler Landesordnung von 1532 war es keinem gestattet, „über Neun Oren/weder in Stetten/Märckten/noch Dörfern/noch auf den Strassen/in Wirtshewsern/oder an anderen gevärlichen orten/am trincken/beim Spil/bey leichtvörtigen Frawen/noch in annder leichtvörtig weg/zusitzen/zusteen/oder zu warten“.
    Bey leichtvörtigen Frawen?
    Huren, im Mittelalter hättest du sie gleich am Marktgraben angetroffen.
    Dass es sich um Prostituierte handelt, darauf bin ich selbst auch gekommen, habe jedoch angenommen, dass die Prostitution verschwiegen und an den Stadtrand gedrängt wurde. Schon gar nicht wäre ich auf die

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