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Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Titel: Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph W. Bauer
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Bericht, sie waren 1428 an den Hof Friedrichs mit der leeren Tasche gekommen. Auch den Namen des Wirts – vocatur Ypofar – nennen die Legaten, der Ipphofer also, Besitzer des –
    Goldenen Löwen.
    Fünf Jahre zuvor wirkte Ipphofer noch als Bürgermeister, heißt, dass ihm dieses Amt bei seiner späteren Karriere nicht hinderlich war und man mit der Hurerei damals noch kulanter umging. Viel freilich nicht, Prostituierte galten als minderwertig, waren oft Übergriffen ausgesetzt, Vergewaltigungen standen an der Tagesordnung. Zu Huren gingen jene, deren Lust aus dem Gefängnis ausbrach, zu dem die kirchliche Lehre den Körper gemacht hatte. Zustände wie im Mittelalter, dieser Spruch, er passt ganz sicher noch heute auf die Stellung der Kirche zur Sexualität. Aber wer seine Schäfchen mit der Erbsünde belastete, konnte gar nicht anders, als die Lüsternheit zu verdammen. Und er erhob die Ehe auch nicht von ungefähr zum Sakrament, er wollte die einzig zulässige Form von Sexualität, die des Kinderzeugens, kontrollieren. Wie sollte man angesichts dessen die Schwangerschaftsverhütung nicht als Todsünde –
    Was du sagst, ist doch graue Theorie, wie sieht es in der Praxis aus?
    Über die Keuschheit der Mönche wurde geweint vor Lachen. Und die stets drohenden Seuchen und Katastrophen schlugen der Lust das Bett auf, in das die Menschen liebend gerne sprangen, bevor es zu spät war und es abging ins Leprosenhaus oder Pestlazarett. Ansonsten war die Ehe – zwar nicht ganz im kirchlichen Sinn – wohl wirklich eine reine Funktionsgemeinschaft, Maximilian marschierte da ja als gutes Beispiel voran.
    Auch was seine Abneigung gegenüber Frauenhäusern angeht, wird Maximilian seinen Thronfolgern zum Vorbild. Ferdinand II . verordnet 1633 die Tugendsambe Lebensführung : Lässt sich eine Hure bei der Arbeit ertappen, läuft sie Gefahr, dass man ihr ein Ohr abschneidet. Auch in Innsbruck wird hart durchgegriffen, laut einer Quelle ergeht der Befehl, verdächtige Häuser zu überwachen, wenn nötig behördlich einzuschreiten, um „den Verbrecher und die Verbrecherin gebierendermaßen“ zu bestrafen. Noch schlimmer ergeht es den Huren unter Maria Theresia. Die verordnet nämlich, diebischen Dirnen oder solchen, die ihre Freier mit Syphilis anstecken, das Haar abzuschneiden, ihre Schädel zu teeren und die einstigen „Hübschlerinnen“ vor der Kirche auszupeitschen. Ein weiterer Erlass der Kaiserin schiebt die „incorrigiblen Weibspersonen“ ins Zuchthaus ab oder noch viel weiter. Denn zu der Landesmutter Leistungen gehört es auch, die „Temesvarer Wasserschübe“ einzuführen – Huren werden kurzerhand die Donau hinab in den Banat verfrachtet. Wenigstens können sie lesen und die Abschiebung unterschreiben, die Spittelbergnimpfen und Bierhäuselmenscher, wie die Wiener die leichten Mädchen aus der Vorstadt damals nennen. Analphabetismus lässt sich als Tatauslöser nicht mehr vorschützen, Dekrete sind da, um gelesen zu werden, auch ein Grund für die Einführung der allgemeinen Schulpflicht.
    Doch die Syphilis lässt sich nicht abschieben!
    Es sei denn, man schickt ihr die Freier hinterher. Irgendwann ist es schlicht nicht mehr möglich, die Prostitution per Gesetz aus der Gesellschaft zu eliminieren, Gesundenuntersuchungen werden durchgeführt, auch in Innsbruck. Freier bleiben davon – versteht sich – ausgespart, aber wenigstens bringen die ärztlichen Analysen nach jahrhundertelangem Totschweigen des Gewerbes in der Tiroler Landeshauptstadt die Anzahl der „gelüstigen Frauen“ ans Tageslicht. 1910 verzeichnet Innsbruck 15 hauptberufliche Huren, 1913 schon 59. Schwerer lässt sich eruieren, wie viele Männer die Lust in die Karmelitergasse trieb, wo es um 1920 zwei offizielle Bordelle gab, beide von Frauen geleitet. Das der Regina Fenakel befand sich im Haus Nr. 5, das der Theresia Bondy in der Karmelitergasse 7. Dort kannst du noch heute zu „leichtvörtigen Frawen“ gehen, gegen die die Landesverordnung von 1532 so vehement antrat.
    Was geschah eigentlich, wenn man sich nicht an diese Verfügung hielt?
    Das Haus, in dem du wohnst, weiß da Antwort, einer seiner Besitzer war einst Stadtrichter.
    36
    Hans Hoffman ist 42 Jahre alt, als er zusammen mit seiner Frau Maria, geborene Stanner, im Jahr 1640 das Haus in der Innstraße 85 kauft. Der gelernte Sattler, der lange das Handwerk seines Vaters ausübte, betätigt sich nun als Wirt und ist der erste dieser Zunft, der für das heute noch existierende

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