Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
Schreckensjahre, er verfasst später als David Ben-Dor ein Buch über den Leidensweg durch mehrere Konzentrationslager.
In der Defreggerstraße 12 sind Wolf Meier Turteltaub und seine Frau Amalie zuhause, sie leben mit ihren Kindern Fritz und Eva sowie vier Enkelkindern zusammen. Weiters wohnen dort Amalies Bruder Julius Schrager mit seiner Frau Saly und deren Söhne David und Paul. Wolf Meier Turteltaub, brutal niedergeschlagen und an den Füßen über die Treppe gezerrt, wird zusammen mit seinem Sohn Fritz, seinem Enkel Aldo sowie seinem Schwager Julius Schrager ins Hauptquartier der Gestapo gebracht. Im Dezember 38 dann die Zwangsübersiedlung nach Wien, von dort versucht die Großfamilie, die Flucht zu organisieren, nur ein Teil der Familie entkommt den Mördern. Nicht Wolf und Amalie Meier, sie werden zusammen mit ihrer zehnjährigen Enkelin Gitta Scharf in den Osten deportiert und im Vernichtungslager Riga umgebracht. Edmund Turteltaub und seine Frau Gertrud, geborene Popper, wollen sich mit ihren Kindern nach Bolivien durchschlagen, gelangen nur bis nach Italien. Edmund und Gertrud, zur Zwangsarbeit abkommandiert, sterben in einem Arbeitslager, ihre Söhne Hans und Walter werden 1944 in Auschwitz getötet. Julius Schrager wird 1942 mit seiner Frau Saly und Sohn David nach Polen deportiert und in Maly Trostinec ermordet.
Es ist ein Alphabet des Grauens, von der Defreggerstraße in die Falkstraße 18, dort wohnt Richard Schwarz, Teilhaber des Kaufhauses Bauer & Schwarz, mit seiner Frau Magda und den Kindern Erika und Viktor. Auch Wilhelm Adler ist in jener Nacht zugegen, der Terrortrupp hat schon seine Wohnung in der Maria-Theresien-Straße aufgesucht und ist dort unverrichteter Dinge wieder abgezogen. Richard Schwarz und sein Sohn werden festgenommen, Wilhelm Adler gelingt die Flucht über den Balkon.
In die Museumstraße 6 jetzt, dort befindet sich neben dem Schuhgeschäft Graubart ein Uhren- und Juwelenladen, den Dr. Eduard Fuchs führt. Er lebt mit seiner Frau Sara und der Tochter Wally über den Geschäftsräumen, in der Nacht dringt eine Gruppe in die Wohnung ein und verletzt Eduard Fuchs. Später gelingt ihm die Flucht in die USA , seine Tochter kann nach London emigrieren, auch Sara Fuchs dürfte Quellen zufolge den Naziterror überlebt haben.
Siegfried Landauer, 1883 in Hohenems geboren, lebt seit Anfang der 30er-Jahre mit seiner Frau Laura und den Kindern Leonhard, Johanna und Irma in Innsbruck, die Familie wohnt 1938 in der Salurner Straße 8. Landauer ist sehr gläubig und der Überzeugung, „daß keinem, der bete, etwas zustoßen werde.“ Am Morgen nach der Pogromnacht bietet die Wohnung der Landauer ein Bild der Zerstörung, „Teller lagen in Scherben, Stühle waren zerbrochen, die Polstermöbel aufgeschlitzt.“ Leonhard, dem ältesten der Kinder, gelingt noch 1938 die Flucht nach Zürich. Seine Eltern und die beiden Schwestern werden am 27. Mai 1942 von Wien nach Maly Trostinec deportiert und ermordert.
Von der Salurner Straße weiter in die Schillerstraße 4, hier lebt Helene Rosenstein, geborene Schreiber und Witwe von Josef Rosenstein, mit ihrem Sohn Fritz . Sie werden in ihrer Wohnung überfallen, das Mobiliar wird zertrümmert.
Zur Synagoge in die Sillgasse 15, damals Straße der Sudetendeutschen. Die Einrichtung des Gebetraums wird zerstört und dem Hausmeister als Brennholz übergeben. In der Sillgasse 15 wohnt auch Berta Dannhauser, über die Stiege wird sie hinabgestoßen, sie ist damals 98 Jahre alt.
Dieses Alphabet gibt keine Ruh, zurück in die Anichstraße!
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Bei Josef Adler waren wir schon, also ein paar Schritte weiter ins Haus Anichstraße 7, wo sich die von Michael Brüll gegründete Möbelfabrik und die Wohnungen seiner Kinder befinden. Eines davon, Fritz, ist als Oberleutnant im Ersten Weltkrieg an der Front gefallen, ein anderes, Rudolf, ist verheiratet mit Julie, die beiden haben selbst schon Nachwuchs, ein Töchterchen namens Ilse. In der Nacht taucht die SS auf, Rudolf wird mit einem Schlagring zu Boden gestreckt, was einen dreifachen Rippenbruch zur Folge hat, auf seine Frau schlägt man ebenso ein. Dann ist der Schlägertrupp auch schon ein Stockwerk höher, fällt über die Eltern von Ilses Cousine Inge her, Josef und Antonie Brüll – sie werden niedergestoßen und mit Stiefeltritten ins Gesicht malträtiert. Fehlt noch der dritte Bruder, Franz, am gleichen Tag wird er mit seinen Brüdern Rudolf und Josef von der Gestapo verhaftet.
Die Brülls gehen unter
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